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Janet Brooks-Gerloff, Ölgemälde im Kreuzgang der Abtei (1992)

Unterwegs nach Emmaus

Zur Grundsteinlegung (16. September 1990, am Fest des hl. Papstes Kornelius) des Südflügels des Klosters wurde dem Konvent von der Künstlerin ein Bild als Geschenk versprochen. Bald war es uns klar, daß wir uns ein Bild für die statio wünschten, vor dem wir uns für den Gottesdienst sammeln könnten. Angeregt durch frühere Arbeiten der Künstlerin zum Emmausthema, erbaten wir uns ein Bild zu diesem Thema. Erst als der Bau definitiv fertiggestellt, - der "Raum" für das Bild also klar erkennbar war, hat Janet Brooks-Gerloff das Bild im Sommer 1992 gemalt. Wenige Tage vor der Einweihung des Neubauflügels am 28. August 1992 konnten wir das Bild dann an seinen vorherbestimmten Platz aufhängen.

Ein langer, heller Klostergang, Teil des Kreuzganges. Die Mönchsgemeinschaft stellt sich hier vor den großen Gottesdiensten auf, um sich für die Feier des Gotteslobs zu sammeln und beim Glockenzeichen in Prozessionsordnung in die Kirche zu ziehen. An der Stirnwand des Ganges ein Bild der Jünger, die mit dem unerkannten Auferstandenen auf dem Weg nach Emmaus sind: Blickfang der Sammlung, - Hinüberführen der Gedanken von den Brennpunkten des Alltags in den Brennpunkt des anbetenden Gotteslobs.

Das Ölgemälde ist für diesen Ort konzipiert worden, wo der Kreuzgang nach rechts zum Kircheneingang abbiegt, - für diesen Ort, wo der Weg eine neue Richtung nimmt, - für diesen Ort des Übergangs, wo das Reden verstummt, um dem Gespräch mit Gott Raum zu geben.

Die beiden Emmausjünger und ihr Begleiter Jesus - drei Gestalten. Der Betrachter schaut ihnen nach; er sieht nicht ihre Gesichter, nur ihre Rücken. Die drei gehen ihm voraus. Sie sind wie eine Einladung, mit ihnen zu gehen, - ihrem Gespräch zu lauschen, - sich selbst in das Gespräch mit dem Unbekannten einzubringen.

Die weiten Gewänder der beiden Jünger sind schwarz. Das Spiel des Lichtes hellt sie nur wenig auf. Anspielung auf das schwarze Ordenskleid der Mönche? Andeutung der dunklen Trauergedanken der Emmausjünger damals? Hinweis auf die Sorgen, Schmerzen und Leiden der Menschen aller Zeiten?

Neben den beiden der Unerkannte, - nur eine Konturenzeichnung, mit Bleistift skiziziert, - durchsichtig leicht und schwerelos, - noch nicht faßbar und sich schon wieder entziehend. Die Jünger sind voll im Gespräch mit ihm, aber ihre Augen sind „gehalten“, obwohl das Herz schon brennt. Im Gespräch und im Brechen des Brotes wird sich ihnen der Unerkannte als der auferstandene Meister ihrer gemeinsamen Wege „verdichten“ ... und sogleich wieder entziehen. Festgenagelt am Kreuz, läßt er sich doch nicht festnageln, - weder durch seine Widersacher, noch durch die Sehnsuchtsvorstellungen der Jüngerschar. Wie ein Lockruf, alte Wege zu verlassen, um neue zu entdecken, und die Stationen auf dem Weg nicht mit dem Ziel zu verwechseln, geht er mit ihnen ... und uns.

Die beiden Jünger schreiten in der linken Bildhälfte voran, ihr Meister begleitet sie etwa in der Bildmitte. So wird er zum „Angel- und Drehpunkt“ des Bildes, des Gesprächs und des Weges. Der Jünger, der außen geht, wendet sich an seinem Gefährten vorbei dem Fremden zu. Der Eindruck: der Blick hat schon neue Richtung gefunden, - die Schritte müssen sie noch suchen.

Die drei gehen durch eine weglose hügelige Landschaft auf einen weiten Horizont zu. Erdfarben deutet sich die Kargheit einer Wüste an. In der Ferne des Horizonts am rechten oberen Bildrand spielen Licht und Regendunkel miteinander. Es bleibt offen, was die Jünger am Ende ihres Weges erwartet. Es scheint sie nicht zu sorgen. Wichtig ist ihnen das Unterwegssein mit dem Unerkannten, der ihnen das Herz brennen macht. Wie Schuppen wird es ihnen von den Augen fallen, weil sie sich nicht sträubten, ihr Herz brennen zu lassen.

Abt Albert Altenähr OSB
1993-07-18