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Ein paar Tage im Kloster zu verbringen ist in - und vigo geht der Frage nach, was die Menschen dort suchen.

Stille im Angebot

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Auch wenn die Orden überwiegend Nachwuchssorgen haben - Klosterleben ist dennoch in. Prominente Ordensleute wie etwa Anselm Grün, der durch seine Bücher und Fernsehauftritte bekannte Benediktinerpater, oder auch der Dalai Lama faszinieren Menschen weltweit. Nicht nur die Vorträge und Veröffentlichungen dieser Ordensvertreter erfreuen sich wachsender Beliebtheit - auch den Wunsch in die Klosterwelt einzutauchen, verspüren immer mehr Menschen.

„Viele Gäste suchen einen Ort der Beständigkeit in unserer heutigen Zeit, die von schnellem Wandel und Vergänglichkeit geprägt ist“, sagt Frater Antonius Kuckhoff. Durch Wohnort- und Arbeitsplatzwechsel ginge vielfach die Heimat verloren, erklärt der 37-jährige Mönch aus der Benediktinerabtei in Kornelimünster den Trend. Auch in seinem Kloster sei eine verstärkte Nachfrage zu verzeichnen. „Wir haben etwa 500 Gäste im Jahr und rund 3.000 Übernachtungen“, bilanziert er. Sicherlich erziele man durch die Gastaufenthalte Einnahmen. „Wir machen es nicht nur um Geld zu verdienen“, sagt er und verweist auf die Regeln des Ordensgründers, dem Heiligen Benedikt von Nursia. „Darin ist ein Grundauftrag für uns vorgesehen, alle die anklopfen zu empfangen, so wie Christus“. Aus diesem Grund hat die Gastfreundschaft in den Benediktinerklöstern große Tradition. Aktuell gibt es in Deutschland etwa 60 Klöster dieses Ordens.

Stille ist es, was die meisten Gäste hinter den Klostermauern suchen. „Es war mir zu laut. Ich wohne direkt an der Autobahn. Hier möchte ich zur Ruhe kommen“, beschreibt Katja Hilbig aus Köln ihre Beweggründe für einen Klosteraufenthalt. Die 35-jährige Pressereferentin einer Anwaltskanzlei ist Atheistin. „Alternativen zum Kloster gibt es doch kaum, wenn man Ruhe sucht. Ich habe als andere Möglichkeit auch über ein Wellnesshotel nachgedacht, mich dann aber bewusst für das Kloster entschieden“, sagt Hilbig.

vigo-Autor Helmut Schroeter macht den Selbstversuch als Gast in der Benediktinerabtei in Kornelimünster. Jetzt wird es ernst: Es ist Montag, 16 Uhr. „Am besten ist es, wenn Sie zwischen 15 und 17 Uhr zu uns kommen“, hatte Abt Friedhelm am Telefon gesagt, als ich mit ihm über meine Absicht einen Selbstversuch „Kloster auf Zeit“ zu machen sprach. In der Redaktionskonferenz hatte ich mich spontan dazu bereiterklärt, derjenige zu sein, der dies wagt. Aber jetzt, wo es konkret wird, überkommen mich eher gemischte Gefühle, wenn nicht sogar ein wenig Angst. Fragen über Fragen schießen mir durch den Kopf: „Komme ich mit der Stille klar? - Störe ich vielleicht den Klosteralltag der Mönche?“ oder „Wie werde ich das Beten verarbeiten?“.

Daran denke ich, als ich vor der Klosterpforte stehe. Die schwere Holztür öffnet sich und ich werde hereingebeten. „Frater Antonius kommt sofort zu Ihnen - und ein weiterer Gast wartet auch noch“, sagt der nette Herr vom Empfang. Ich freue mich, als ich eine Frau mit Gepäck sehe, die genau wie ich gerade erst angereist ist. Ich bin also nicht alleine hier - diese Feststellung erleichtert mich. Etwas anderes beunruhigt mich jedoch: Das ins Schloss fallen der schweren Eingangstüre und die sich ausbreitende Stille im Kreuzgang.

Nach einer freundlichen Begrüßung zeigt mir Frater Antonius die Gemeinschaftsräume des Klosters im Erdgeschoss: Das Oratorium, in dem die Vigil und die Laudes stattfinden - also das Nachtgebet und das Morgenlob, das Mönchs-Refektorium und den Gästespeisesaal sowie die Kirche. „In der Kirche findet die Mittagshore, die Vesper und das Komplet - also das Nachtgebet mit dem der Tag beendet wird - statt", sagt er. Ob ich mir diese vielen Gebetszeiten wohl merken kann? Der erfahrene Mönch spürt meine Verunsicherung und sagt mit ruhiger Stimme: „Sie können an allem teilnehmen - müssen das aber nicht. Ganz so wie Sie wollen, und die Essens- uns Gebetszeiten sind auf Ihrem Zimmer in der Gästemappe zum Nachlesen hinterlegt".

Auf der ersten Etage des Hauses befinden sich die Gästezimmer, etwa 20 Einzelzimmer mit Bad. Die darüber liegende zweite Etage ist der Klausurbereich der Mönche, der für die Gäste tabu ist. „Unsere Zimmer sind genau so wie die Gästezimmer - nur ein wenig größer", erklärt mir der Frater. An den Gästezimmern befindet sich jeweils ein kleines Schild mit dem Namen des Gastes. Auch dies eine Geste, die dem Gast signalisiert, dass er hier willkommen ist. Das Zimmer ist freundlich gestaltet. Bett, Schreibtisch, Schrank, Stuhl und ein Regal mit christlicher Literatur. Es gleicht den Zimmern, wie ich sie aus Tagungshotels kenne. Allerdings fehlen TV-Gerät und Radio.

Nachdem ich die Zimmertüre geschlossen habe ist sie raumfüllend da - fast schon ein wenig bedrohlich: Stille, ohne Ende. Ich nehme meine Schritte, meinen Herzschlag und meine Atemzüge überdeutlich wahr. Der Versuch irgend ein anderes Geräusch wahrzunehmen scheitert. Keine Chance etwas zu hören - jetzt bin ich im Kloster. „Manche sind mit der Stille nicht klar gekommen und schnell wieder abgereist", hatte Frater Antonius bei der Begrüßung erzählt. Jetzt frage ich mich, ob mir das wohl auch so geht?

Um 17.55 Uhr erklingt ein Gong. Er ruft zur Vesper und zum Gottesdienst. Ich habe mir vorgenommen alle Gebetszeiten mitzumachen. In der Kirche erlebe ich einen feierlichen Gottesdienst. Der wechselseitigen Sprechgesang ist ein Erlebnis. Alle Gebete im Verlauf der nächsten beiden Tage sind davon geprägt. Die Gebets- und Essenszeiten geben dem Tag eine klare Struktur. Dazwischen liegen Zeitblöcke in denen man sich seinen persönlichen Aufgaben widmen kann. Ich erlebe, wie diese Struktur mir die Möglichkeit gibt, den Tag gut zu nutzen. Das ist gelebtes Zeitmanagement, das ich in jedem Fall aus dem Kloster mitnehmen werde.

Ein besonderes Erlebnis sind auch die Mahlzeiten. Als männlicher Gast darf ich das Mittagessen und das Abendbrot im Mönchs - Refektorium einnehmen - im Schweigen. Dazu werden historische Texte vorgelesen. Ein echter Genuss.

Die drei Tage vergehen wie im Flug. Als ich mit dem Auto wieder nach Hause fahre, merke ich, wie sich hinter mir eine Autoschlange gebildet hat. Mein Tacho zeigt eine sehr geringe Geschwindigkeit an. Die Tage im Kloster haben mich deutlich entschleunigt. Ich habe Ruhe gefunden. Eins steht fest: Ich werde wiederkommen - es lohnt sich!

Quelle: vigo Apothekenzeitung, Ausgabe November/Dezember 2012, StädteRegion Aachen
Text und Foto: Helmut Schroeter