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Mönche und Oblaten – Weggefährten in der Gottessehnsucht

Mönche und Oblaten

Weggefährten in der Gottessehnsucht

Es ist immer gut, sich an markanten Punkten eines Weges nach dem Woher, dem Warum und dem Wohin des Weges zu fragen. Solche Fragen kann man sich selbst stellen, - sie können aber auch von anderen an einen herangetragen werden. Als Benediktineroblaten und als Begleiter der Oblatengruppen unserer Klöster ist uns solches Fragen aus unseren Klöstern heraus, von Interessenten aber wohl auch von müden Oblaten und ebenso müden Oblatenrektoren sicher nicht unbekannt.

Klostergemeinschaft – Oblatenrektor – Oblaten

Lebendige Klöster und lebendige Mönche werden werden nahezu naturgegeben darauf angesprochen: „Freund, woraus kommt deine Lebendigkeit?“ Es ist die Frage der Jünger an Jesus: „Herr, lehre uns beten. Lehre uns den Weg zur Gottesquelle, die wir in dir sprudeln sehen.“ Wenn ich als einzelner Mönch diese Frage an mich persönlich gerichtet sehe, dann sollte ich nicht der Versuchung erliegen zu glauben, die Antwort, die ein Echo der „guten Botschaft“ ist,  liege in mir allein begründet. Ich bin immer auch geprägt durch meinen Konvent, und so ist es auch mein Konvent, dem die Anfragenden in mir begegnen.

Diese Selbstverständlichkeit muss in die Konvente hinein und den einzelnen Konventualen (- z.B. dem Oblatenrektor) immer wieder bewusst gemacht werden. Sie macht auf die Verantwortlichkeit des Gesamtkonventes für die Beziehungen seiner Mönche nach draußen aufmerksam. Wir leben nie als Einzelne, sondern immer in einem Beziehungsgeflecht von Gemeinschaft und Gemeinschaften. Unsere Wirkung auf andere ist immer auch Wirkung unseres Lebensraumes und der Lebensgemeinschaft. Das sollte dahin führen, dass der einzelne Mönch sich bewusst wird und bleibt, dass er immer auch Zeuge seiner Gemeinschaft ist. Für ein solches Zeugnis braucht er die lebendige Rückbindung zur Gemeinschaft. Umgekehrt ist auch die Gemeinschaft angefragt, wie sehr sie den einzelnen Mönch – sein Leben und Wirken – in ihrer Mitte verankert.

Auf den Oblatenrektor darf in diesem Sinn die Begleitung der Oblatengemeinschaft nicht „abgeschoben“ werden. Wenn und wo das geschieht, schiebt man den Mitbruder selbst aus der Gemeinschaft heraus. Seine Aufgabe wird nicht mehr als „unsere“ Aufgabe gesehen und anerkannt. Die Oblaten werden seine Klüngel-Klientel, mit der wir anderen wenig oder nichts zu tun haben wollen. Es sind dann „seine“ Oblaten, nicht mehr „unsere“, - nicht mehr die Oblaten unserer Gemeinschaft.

Glaubensanbindung - Glaubensübersetzung

Bei aller Tradition der „fuga mundi – der Weltflucht“ und der „separatio a mundo – der Trennung von der Welt“, für die der Begriff „Klausur“ und die Klausurmauer Zeugnis geben, kann nicht übersehen werden, dass auch monastische Klöster aus dem Kern des Christseins heraus missionarisch sind. Ein gelungenes Lebenskonzept strahlt aus und zieht an.

Wir Klöster sind uns unserer Attraktivität durchaus bewusst. Wir fördern sie und machen sie uns auf die bunteste Weise nutzbar. Gelegentlich mag es scheinen, dass wir uns dabei weit aus der Mitte unseres innersten Selbstverständnisses hinausbegeben. Nicht wenige Besucher sind von den „Randphänomenen“ unserer Monastizität fasziniert, lassen sich interessiert darauf ein, aber scheuen sich zugleich, sich selbst von dem Kern unseres Seins berühren zu lassen. „Darüber wollen wir dich ein andermal hören“, könnten sie mit den Paulus-Zuhörern auf dem Areopag sagen. Zu diesem „ein andermal“ kommt es dann eher selten.

Es gibt aber auch die Frage nach einer intensiven Begegnung. Ich glaube, dabei kann man die „normale“ geistliche Begleitung unterscheiden von der Sehnsucht nach geistlicher Anbindung an das Kloster. Die von mir so genannte „normale“ geistliche Begleitung sucht einen Gesprächspartner/Begleiter für das je eigene Lebensfeld. Dass seine Kompetenz benediktinisch geprägt ist, scheint mir eher im Hintergrund zu bleiben (oder: bleiben zu können).

Andere suchen gerade „das Benediktinische“ für ihr Leben fruchtbar zu machen. Der Begleiter/Oblatenrektor tritt als Person in den Hintergrund. Er ist als benediktinische (!) Persönlichkeit angefragt und als Übersetzungshelfer des Benediktinischen in die Welt außerhalb des Klosters. Aus dem Kreis dieser Menschen mit der Sehnsucht nach dem Benediktinischen kommen die Oblaten – und natürlich auch diejenigen, die um einen Eintritt in die Gemeinschaft nachfragen.

Bei dieser Anfrage nach einer benediktinischen Prägung des Lebens in der Welt ist nicht einfach nur ein in diesen Bereich delegierter einzelner Mitbruder gefragt, sondern die ganze Gemeinschaft. Es ist ihr christlich-benediktinisch-missionarischer Geist ins Zeugnis zu bringen. Das aber bedeutet, dass die Gemeinschaft - und jeder einzelne in ihr - nicht für sich selbst benediktinisch leben kann, sondern dass sie immer auch eine Übersetzungsaufgabe haben. Alles andere wäre esoterische Selbstheiligung, die das Kloster und seinen Mönch in ein Ghetto-Dasein führt. Ein Mitbruder ist für die Aufgabe des Oblatenrektors qualifiziert, wenn er ganz „drinnen“ steht und aus dieser inneren Heimat in Benedikt die souveräne Freiheit hat, für „draußen“ eine Übersetzung zu wagen.

Übersetzungspartnerschaft - Übersetzungsmitte

Eine gelungene Übersetzung ist keine schematische, allein lexikalisch legitimierte Einbahnstraße, sondern immer Begegung und Auseinandersetzung mit dem Raum, in den etwas hinüber gesetzt werden soll. Sie ist in diesem Sinn Dialog, - nicht Monolog. Sie ist eher ein Prozeß des Tastens als ein Setzen von Ergebnissen. Sie absolutiert sich nicht in ein endgültiges „Jetzt hab ich’s!“, sondern bleibt auf der Suche und in der Sehnsucht nach einem weiteren Morgen. Sie ist die fröstelnde Gottsuche des Morgenrots, nicht der „daemon meridianus“ (Ps 91,6) des heißen Sonnenhöchststandes. Sie ist eine „Üb’-Ersetzung“.

Mönch und Oblate sind in diesem Übersetzungsgeschehen sich gegenseitig bereichernde Gesprächspartner. Ihnen geht es um dieselbe eine Mitte, Jesus Christus, und sie haben sich beide der Führerschaft des hl. Benedikt anvertraut. Aber sie gehen mit je eigenen Blickrichtungen an diesen Weg heran. Verstecken wir diese je eigenen Erfahrungen nicht, - lassen wir sie als Fragen die scheinbaren Sicherheiten des Gegenüber in Frage stellen. Vor allem: lassen Sie als Oblaten den Oblatenrektor erfahren, dass Sie nicht seine Vision der Dinge einfach nachbeten, sondern ringen Sie mit ihm um eine lebendige benediktinische Antwort für  I h r  Leben. In solchem Fragen schenken Sie Leben und Lebendigkeit in das Kloster hinein.

Benedikt war ein Übersetzer der Heiligen Botschaft in seine Zeit, seine römische Welt, - in seine persönlichen Möglichkeiten und und sein persönliches Leben. Er ging dabei so weit, die Regel in viele Regeln hinunterzubuchstabieren. Die Schreibweise der Buchstaben ändert sich nach Zeit und Region, der Text und seine Melodie bleiben dieselben. Wir sind gerufen, Benedikt nicht im Sütterlin der Brüder Wolter oder der karolingischen Minuskel des Benedikt von Aniane zu leben, sondern die Melodie des Benedikt von Nursia im eigenen Herzen nachzuspüren und zu leben. Nicht die Regulae der Benediktsregel sind unser Lebenselixier, sondern die Regula Christus, - der Rex Christus. Wenn wir sie bzw. ihn gefunden haben, dann leben wir zwar nach wie vor in Buchstaben, - Einzelnoten, - Regulae, aber wir verlieren uns nicht in ihren Details und sind erkennbar als „domino Christo vero regi cantaturi“ (vgl. RB Prol 4).

Wenn Sie mich fragen, wohin ich als Mönch strebe, - was ich meinen Mitbrüdern und den „benediktinischen Freunden“ – sprich: unseren Klosterbesuchern im weiten Sinn und unseren Oblaten  als Gliedern der Bernedikt-Familie ganz besonders – vermitteln möchte, dann ist es dieser Dreiklang: Gott suchen (RB 58,7) – Christus hören (RB Prol 1) – Gott in allem entdecken und preisen (RB 57,9). Mehr will ich nicht, aber darin finde ich alles.

Albert Altenähr OSB
2005-05-13