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Oblaten – Geschwister im Hause Benedikts

Impulsreferat für den Workshop Oblaten des Äbtekongresses, 27.09.2004, Rom

Oblaten – Geschwister im Hause Benedikts

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert haben besonders die Klöster Affligem und Solesmes den Gedanken des Oblatentums wieder entdeckt und für ihre Zeit neu definiert. 1904 hat Papst Pius X. ein Statut für die Oblaten offiziell genehmigt. Die Situation der Oblaten ist in den einzelnen Weltregionen, - in den einzelnen Ländern -und in den einzelnen Klöstern nach meinen Beobachtungen sehr unterschiedlich. Norvene Vest, Oblatin von Valyermo, Kalifornien, stellte 1999 fest, dass in den nordamerikanischen Klöstern die Zahl der Oblaten oftmals 10 mal so groß ist wie die der Mönche ihres jeweiligen Heimatklosters. Von Waegwan, Korea, berichtete mir Primas Notker vor mehr als einem Jahr, dass die junge Oblatengemeinschaft bereits mehrere hundert Mitglieder zähle und fast zweihundert Kandidaten habe. In Deutschland sind viele Oblatengemeinschaften überaltert, einige wurden und werden ganz aufgegeben. In anderen Klöstern Deutschlands gibt es neue Anfänge, wobei man sich sehr genau fragt, was man eigentlich mit dem Oblatentum anbieten und anstreben will. Diese neuen Gemeinschaften sind klein und streben auch nicht nach schnellem Wachstum. Sie leben in einem hohen Reflexionsgrad über die Integration des „Benediktinischen“ in ihr Leben.

Nach meinen Beobachtungen gebrauchen wir alle dasselbe Wort „Oblaten“. Die Art, wie wir die Oblatenidee verwirklichen, ist aber so unterschiedlich, dass es nicht nur interessant, sondern notwendig ist zu fragen, ob wir wirklich unter dem einen Wort alle dasselbe verstehen. Wenn uns dabei eine bunte Vielfalt begegnet, heißt das nicht, dass das Eine richtig und das Andere falsch ist. Im Austausch können wir uns aber als „fremde Mönche“ begegnen, die unserer eigenen Sicht des Oblatentums gute Fragen stellen (vgl. RB 61,4). Das Gespräch zwischen einzelnen Oblatengemeinschaften innerhalb einer Region, zwischen Oblatentraditionen verschiedener Regionen und ein weltweites Gespräch können nur bereichernd sein für das eigene begrenzte Verständnis der Oblatenberufung.

Das „Benediktinische an sich“ gibt es nicht. Es gibt es nur in der Konkretion des jeweiligen Klosters. Zur Wirklichkeit des Oblaten gehört in dieser Linie die Anbindung an ein bestimmtes Kloster und seine Lebensinterpretation der Regel Benedikts. Die Oblaten nehmen in dieser Anbindung an ihr Kloster am Gelübde der stabilitas in congregatione teil. Die Anbindung an ein bestimmtes Klosters trägt für den Oblaten und für das Kloster Erwartungen und Verpflichtungen in sich, der sich beide Seiten bewusst sein müssen. Für unseren deutschen Bereich habe ich den Eindruck, dass sich durchaus nicht alle Klöster bewusst sind, dass sie gegenüber den Oblaten eine gesamtklösterliche Verpflichtung haben. Die Oblaten sind Oblaten des Klosters, - nicht die geistliche Klientel eines einzelnen Mitbruders. Der Oblatenrektor sollte in diesem Kontext einen ähnlich hohen monastischen Anspruch erfüllen wie der Novizenmeister. Er führt die Oblaten an das Kloster heran. Die Begleitung der Oblaten ist nicht eine unwichtige Nebenaufgabe in den Klöstern, sondern sie gehört zu ihren „Chefsachen“!

Es ist schwer, die wechselseitigen Erwartungen und Verpflichtungen zwischen Kloster und Oblaten griffig zu formulieren. Unter den weitgehend unzureichend gestellten und behandelten Fragen ist jene nach den Erwartungen, die ein Kloster an seine Oblaten haben könnte und sollte. Die oftmals genannten praktischen Hilfen sind eine gute Sache. Aber gibt es darüber hinaus eine geistliche Dimension, mit der die Oblaten ihrem Kloster ein Geschenk sind? Die Gebetsgemeinschaft zwischen dem Kloster und seinen Oblaten ist ein solcher Aspekt der geistlichen Dimension. Wird sie aber aber genügend reflektiert und auch zur Sprache gebracht? Es genügt auch für die Mönche nicht, zu „wissen“, dass man mit uns Mönchen und für uns Mönche betet. Auch wir müssen es immer wieder gesagt bekommen, um es es nicht zu vergessen und nicht daran zu zweifeln. Worüber man nicht mehr redet, das ist nicht der Rede wert. Es wird zur quantité negligeable und ist irgendwann nicht mehr lebendig. Es ist nicht nur eine geistliche Einbahnstraße, sondern geistlicher Hochmut und eine geistliche Verarmung, wenn wir Kloster-Mönche uns nur als die Gebenden verstehen. Es ist andererseits die Gnade geistlicher Armut, wenn wir uns von den Oblaten-Geschwistern tragen und beschenken lassen. Die Oblaten sind in diesen Dienst am Kloster hineinzuführen. In die Klostergemeinschaften hinein ist zu vermitteln, dass die Oblaten diesen Dienst wahrnehmen und dass es ein wertvoller und Kloster erhaltender Dienst ist.

Die Menschen, die ich heute in Deutschland als Interessenten für das Oblatentum entdecke, sind weniger die voll sozialisierten, mit der Kirche und ihrem eigenen Christsein zufriedenen Christen, sondern Menschen, die etwas suchen, was sie in der „Normal-Kirche“ nicht mehr finden zu können glauben. Sie sind unruhige Menschen, die die Sehnsucht nach einem Mehr vorwärtstreibt. Wenn das Wort unserer Regel „ob er wirklich Gott sucht“ (RB 58,7) uns Mönche selbst in eine Sehnsuchtsdynamik hineinführt, dann können unsere Klöster Anknüpfungsorte sein, in denen die spirituelle Suche der Menschen eine Heimat findet. Wir Mönche sind in dieser Perspektive vor die selbstkritische Frage gestellt, ob wir uns damit begnügen, Verwalter einer großen Vergangenheit zu sein oder sehnsuchtsvolle Pilger zu einem neuen Jerusalem sein zu wollen – festinantes ad patriam caelestem (RB 73,8).

Oblaten sind nicht dann schon „gute Oblaten“, wenn sie regelmäßig zu den Oblatentreffen ihres Klosters kommen, - wenn sie einen Teil des Mönchsoffiziums (oder gar das ganze) beten, - wenn sie für den lateinischen Choral schwärmen, - wenn sie alle Praktiken und Usanzen ihrer Oblatengemeinschaften pflegen. Das alles ist gut und anzuempfehlen, ... aber das alles kann auch praktiziert werden, ohne dass es mit (benediktinischem) Geist gefüllt ist. Man kann als Mönch und ebenso als Oblate eine Fülle und Überfülle von Gebeten sprechen und dabei vor lauter Gebeten nicht zum Beten kommen. Der in der Observanzbeobachtung perfekte Mönch (und sicher ebenso ein Oblate) kann benediktinisch durchaus tot sein. Die Freude des Heiligen Geistes (vgl. RB 49,6) ist es, die lebendig macht und zur österlichen Erlösung führt.

Das Ziel des Lebens mit der Regel Benedikts ist es, mehr und mehr (vgl. RB 62,4) darauf hinzuwachsen, ganz in der Gegenwart Gottes zu leben. Das heißt: als Mönche und Oblaten wollen wir Gott in unseren Alltag einwurzeln. Oder anders gesagt: wir zielen darauf ab, dass Gott unseren Alltag ganz durchwurzelt. Zwar glaubt Benedikt, dass Gott in besonderer Weise gegenwärtig ist, wenn wir im Gebet bei ihm versammelt sind (RB 19,1f), aber er ist ebenso davon überzeugt, dass Gott nicht in einem goldenen Gebetskäfig gefangen bleiben will. Benediktinische Zielsehnsucht ist es: ut in omnibus glorificetur Deus – dass Gott in allem verherrlicht werde (RB 57,9). In omnibus Deus, – in allem Gott, – Gott überall und in jedwedem einzelnen ... dahin will Benedikt seine Mönche locken und führen. Das ist sein Feuer, dessen Funkenflug unsere Verkündigung ist für Kirche und Welt. Bei unseren Oblaten hat dieser Funkenflug zu neuem Feuer geführt.

Albert Altenähr OSB
2004-08-11