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„Ora et labora“ mitten in der Welt

Was Oblaten der Abtei Kornelimünster am benediktinischen Leben fasziniert

„Ora et labora“ mitten in der Welt

Foto: Margret Nussbaum„Höre...“ – so beginnt der Prolog zur Regel des Heiligen Benedikt. Dass dieses Wort das Leben von Otmar Weber von Grund auf ändern sollte, konnte er vor vier Jahren noch nicht voraussehen. „Es war in der Weihnachtszeit. Ich hatte  Probleme und brauchte einen Widerhall – niemanden, der mir nach dem Mund redete, sondern jemanden, der mir half, in meiner persönlichen Entwicklung weiter zu kommen“, erzählt der 69-jährige Unternehmensberater. Zufällig stieß er auf die Adresse der Benediktinerabtei Kornelimünster. „Dort kam ich über die Weihnachtstage als Gast unter. Nach intensiven Gesprächen erhielt ich Klarheit. Und ich wusste nun, wo ich dran war und wie es für mich weitergehen konnte“, erinnert sich Otmar Weber. Die Gastfreundschaft der Mönche, die Offenheit, mit dem man ihm im Kloster begegnete, die Gebetszeiten mit den Psalmengesängen: All das beeindruckte ihn so sehr, dass er sich kurz entschlossen zu einem Besinnungswochenende anmeldete. „Es handelte sich um ein Oblatentreffen, an dem auch andere Interessierte teilnehmen konnten. Und von da an kam bei mir ein Stein ins Rollen. Nun meldete ich mich zwei- bis dreimal jährlich zu Einkehrwochenenden an. Die Abtei war mir eine zweite Heimat geworden.“ Immer wieder meditierte sich Otmar Weber in den Anfang der Benedikt-Regel hinein. „Ich weiß nun, dass gutes Hören Aufmerksamkeit und Demut voraussetzt. Nur wenn ich genau hinhöre, spüre ich, was mein Gegenüber bewegt. Ich kann mich dann entsprechend verhalten. Das heißt: Ich habe – ganz gleich in welchem Beruf ich arbeite – eine Verpflichtung zur Fairness, die Menschen würdigt und nicht kalt lächelnd unterbuttert. Das ist mir viel bewusster geworden. Und dafür bin ich unendlich dankbar“, sagt er.

Mittlerweile ist Otmar Weber in den Kreis der Oblaten der Abtei Kornelimünster aufgenommen worden. Diese sind Christen, die in der Welt leben, sich von der Spiritualität des Heiligen Benedikt angezogen fühlen und – ein wichtiges Kriterium – sich an die von ihnen gewählte Klostergemeinschaft binden. „Die etwa 20 Mitglieder und Interessenten unseres Oblatenkreises sind ein Teil von uns. Sie gehören dazu. Durch ihr Ja zur klösterlichen Gemeinschaft bestärken sie unser Ja, das wir in den Gelübden ausdrücken. Es ist für uns ein gutes Gefühl zu wissen: Es gibt Menschen, die stehen in ihrem Alltag für uns ein, weil sie uns verbunden sind“, erklärt Pater Oliver, Oblatenrektor der Abtei Kornelimünster. Ihm obliegt die geistliche Begleitung der Männer und Frauen, die sich außerhalb des Klosters in der Nachfolge Christi an der Regel des Heiligen Benedikt orientieren. „Als Betschwestern verstehen wir uns nicht“, sagt Hilde Scherer aus Nideggen. Die 62-jährige pensionierte Gemeindereferentin ist verheiratet, hat acht Kinder und sieben Enkel. Seit 1995 gehört sie dem Oblatenkreis an. Wie Otmar Weber ist für sie das Hören wichtig geworden. „Jeder Mensch hat eine Botschaft. Meine Aufgabe ist es hinzuhören und zu spüren, was der andere mir sagen will. Und umgekehrt die christliche Botschaft so zu erklären, dass vor allem Kinder sie verstehen“, sagt sie.

In einer Überlegung, die Abt Albert in der Homepage des Klosters veröffentlicht hat, schreibt er: „Oblaten sind reale Menschen einer brüchigen Welt – wie wir Mönche selbst auch. Wenn es uns Mönchen gelingt, die Oblaten für ihre Herausforderungen in der Welt zu ernüchtern und zu stärken, sind sie die besten Botschafter unserer Klöster und der Kraft des benediktinischen Geistes. Die Erfahrungen in unserem Kornelimünster Oblatenkreis zeigen mir, dass die Oblaten sich zugleich unaufdringlich und auch offen zu ihrer Bindung an das Oblationskloster bekennen. Das provoziert in gutem Sinn Reaktionen bei den Menschen, mit denen sie zu tun haben.“ Abt Albert hat den Kreis der Oblaten Anfang 1994 wieder begründet und ihn in den ersten zehn Jahren als Oblatenrektor begleitet. Vier Jahre lang war er Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Benediktineroblaten. „Abt Albert hat die Arbeitsgemeinschaft von Grund auf erneuert und ihr richtungsweisende Impulse gegeben“, sagt Oblatenrektor Pater Oliver.

Ein weiteres Beispiel für gelungenes benediktinisches Leben kann auch  der selbständige Tischlermeister Bernhard Stemick, 66 Jahre, erzählen: „Ich verbrachte lange Zeit manches  Wochenende als Einzelgast in Kornelimünster. Immer wieder kam ich auch für Ausbesserungsarbeiten hierher. Die Verbundenheit zum Kloster wurde im Laufe der Zeit immer intensiver. Für die Regel des Heiligen Benedikt habe ich mich immer schon interessiert. Es steckt so viel Brauchbares für unsere moderne Zeit darin. Sie ist handfest und kann mir Orientierung für jeden Tag geben. Seit ich mich intensiv mit ihr beschäftige, bin ich gelassener und geduldiger geworden – auch in schwierigen Situationen. Damit mache ich es auch meiner Umgebung – den Mitarbeitern und der Familie – leichter.“

Auch Karin Schulta, 63 Jahre, ledig, hatte schon früh Feuer gefangen. „Schon als junges Mädchen hatte ich eine Vorliebe fürs Ordensleben. Doch ins Kloster zu gehen, kam für mich dann doch  nicht in Frage. Dazu bin ich wohl zu rebellisch. Ich könnte mich schlecht unterordnen. Nicht umsonst komme ich aus der autonomen Frauenbewegung in der Kirche“, gibt sie zu. Der pensionierten Sekretärin aus Düsseldorf hat das „Ora et labora“ vor allem auch im Beruf Halt und Orientierung gegeben. „Es ist der beruhigende Wechsel zwischen Gebet und Arbeit, der dem Alltag Struktur gibt. Man kommt so zu einer entspannten Lebensweise ohne ständig die Faust im Nacken zu spüren. Wichtig war für mich immer, nichts zu übertreiben, damit es nicht zu Lasten des anderen geht“, sagt sie. In der Abtei Kornelimünster könne sie frei atmen und ihren eigenen Glauben unbeeinflusst leben. Und dies habe ihr für ihr Leben außerhalb der Klostermauern stets Kraft gegeben. Nicht immer stoßen Oblatinnen und Oblaten bei Verwandten und Freunden auf Verständnis. „Als ich vor fast zehn Jahren Oblatin wurde, stieß ich zunächst auf den Widerstand meines Ehemannes. Er konnte damit nichts anfangen, dachte, dass ich mein Leben nun total umkrempeln würde. Doch dann merkte er recht bald; ‚Sie schaut immer noch Krimis im Fernehen an und trinkt auch mal gern ein Bier.’ Da war der Bann gebrochen“, erzählt die 42-jährige Islamwissenschaftlerin Dr. Rita Breuer aus Aachen. Abt Albert Altenähr hat sie schon 1977 bei Schulexerzitin in Gerleve bei Münster kennen gelernt. „Pater Albert betreute unsere Gruppe damals. Als ich 1991 nach dem Studium in Aachen sesshaft wurde, habe ich Kontakt zur Abtei in Kornelimünster aufgenommen. Unsere beiden Kinder sind hier getauft worden. Anfang 94 bekam ich ein Rundschreiben vom Abt. Er wollte einen Oblatenkreis gründen. Ich dachte damals ‚Jetzt schließt sich der Kreis’. Denn ich fand das Ordensleben früher schon anziehend. In der Anbindung an dieses Kloster habe ich nun eine Art von Spiritualität gefunden, nach der ich mich immer schon gesehnt hatte“, erzählt Rita Breuer.

Der Oblation geht eine einjährige Probezeit voraus. In ihr nimmt der Anwärter an den Treffen der Oblatengemeinschaft seines Klosters teil. Der Oblatenrektor begleitet ihn durch persönliche Gespräche, die auch eine vertiefende Hinführung zur Heiligen Schrift, besonders den Psalmen, und zur Regel Benedikts beinhalten. Die Oblation wird dann in einer klösterlichen Feier vollzogen, in der ein eigenhändig geschriebenes Versprechen verlesen und vom Abt angenommen wird. Für eine Probezeit interessiert sich Maria Pasch, 42 Jahre. Die Pastoralreferentin aus dem Bistum Münster war auf der Suche nach einer geistigen Heimat. Die hat sie in der Abtei Kornelimünster gefunden. „Die Benediktsregel spricht mich durch ihre Klarheit und Schlichtheit an. Aus ihr ziehe ich Tag für Tag wichtige Impulse“, sagt sie. Und Abt Albert verweist auf dern Dreiklang der Benedikt-Regel: "Gott suchen (RB 58,7) – Christus hören (RB Prol 1) – Gott in allem entdecken und preisen (RB 57,9). Mehr will ich nicht, aber darin finde ich alles.“

Kirchenzeitung für das Bistum Aachen vom 09.10.2005
Text und Foto: Margret Nussbaum