(Er-)Findet euch neu!
Mut zum „Jahr der Orden“
Abraham hörte einen Ruf und brach auf in unbekannte Heimat.
Jakob träumte auf einem Stein und erkannte das Tor des Himmels.
Mose brannte der Dornbusch und er verinnerlichte den Namen des Alldaseienden.
Elija wurde berührt und machte sich auf den Weg zum Gottesberg.
Den Hirten sang der nächtliche Himmel und sie eilten zur Krippe.
Weise aus dem Morgenland sahen einen Stern und folgten ihm.
Ihnen allen erklang eine Musik im Dumpfraum der Alltage. Ein Traum von etwas Großen lichtete das Dunkel ihrer Nacht. Ein Horizont öffnete sich. Ihr Leben weitete sich. Ihr Heute verhakte sich nicht ins Gestern. Es erkannte das Morgen und sie trauten sich darauf zu. Das ist es! Dahin zieht es mich. Das will ich.
Im Kirchenjahr ist der Advent in besonderer Weise die Zeit, die diese Erfahrung zu ihrem Lied macht. Seine biblischen Texte (Jesaja!, zB Jes 35), seine Kirchen- und Volkslieder, sein Brauchtum bis hin zum weihnachtlichen Krippenzauber atmen nicht nur verträumte Gottseligkeit verflossener Kindheit, sondern die Gottseeligkeit (mit zwei „e“!) des Glaubens, - Gott als die Seele des Lebens und des Glaubens. Der Advent ent-deckt die poetische Dimension als die Seele der jüdisch-christlichen Glaubenstradition. Glaube ist mehr als Ethik und Moral. Er geht nicht auf in einem Programm der Weltreparatur oder Weltaufbesserung. Der Traum von Gott, die Freude am Herrn ist die Seele des Glaubens. Das ist seine Stärke (Neh 8,10).
Mehr als einmal hörte ich Anfragen an die Ordensregeln (!) des hl. Benedikt. Das lässt mich vermuten, dass die Gesprächsgegenüber unser Ordensleben als eine Sammlung oder gar als Sammelsurium von Vorschriften betrachten. Wir selbst sehen es anders. Die Regel (Singular! – mit ihren 73 Kapiteln) hat noch einmal eine „innere regula“: das Evangelium als Kanon, Richtschnur des Lebens (RB Prolog 21), anders gesagt: nichts als Christus (RB 4,21; 5,2; 72,11). Das ist die Herzmitte, die Melodie und Poesie des Benediktinischen, … und ich glaube das, was allen Ordensgemeinschaften das Herzensanliegen ist. In allen weiteren Ausformungen des konkreten Lebens muss das der innere „Stempel“ werden und bleiben.
In einem Exerzitienkurs klagte mir einmal eine Schwester – südamerikanischer Herkunft –dass sie in ihrem deutschen Mutterhaus dann als „gute“ Schwester gelte, wenn sie Berge von Arbeit stemme. Ein Hausoberer formulierte es ein andermal aus der Gegensicht: „Meditation ist oft ein anderes Wort für Faulheit.“ Auf einer Ordenskonferenz klang es so: „Wir werden als Ordensleute interessant, sobald (Mess-)Aushilfen gefragt sind.“ Wenn (!) diese Aussagen stimmen, dann stimmt etwas nicht. Dann hat der „Martha-lismus“ (Papst Franziskus am 22.12.2014 vor der Kurie) die Melodie verstimmt. Der Ordenschrist ist nicht einfach die „Putze“ und der „Lückenfüller“ der Institutionen. In solcher Engführung würde das Zeugnis der Gottseeligkeit durch eine Kosten-Nutzen-Rechnung ersetzt.
Das „Jahr der Orden“ kann dazu anregen, die Quelle uns selbst und der Kirche allgemein neu bzw. tiefer ins tägliche Bewusstsein zu heben. Die Entfaltung einer „Poetheologie“ des Ordenslebens, einer Theologie, die die poetische Dimension unseres Ordenslebens mutig anbuchstabiert, täte uns gut. Sie fragt „Freund, wozu bist du gekommen“ (Mt 26,50; RB 60,3), was ist dein tiefster Sehnsuchtsimpuls, der dich in dieses Leben gelockt hat und dich auch heute darin hält?
„Er hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft“ (2 Tim 2,7)
Albert Altenähr
2014-12-26