Zurück in die Zukunft – Vorwärts in den Ursprung
Gelübde als Skizze der Ewigkeit
Immer noch und immer wieder bin ich überrascht, dass wir Benediktiner nicht die übliche, „klassische“ Gelübdetrias versprechen: Armut, Ehelosigkeit (um des Himmelreiches willen), Gehorsam. Wir versprechen Gehorsam, klösterlichen Lebenswandel und Stabilitas. Das ist gewissermaßen eine vor-klassische Dreierformel. Ist es aber überhaupt eine Gelübdeformel? … eine greifbare, griffige Formel, bei der man präzise sagen kann, das und das wird damit umrissen?
Diese Frage könnte ein Weg sein, „hinter“ die Ordensgelübde zu kommen. Sie geht über die vordergründige Katalogfrage hinaus, was man denn als Mönch gerade eben noch so darf und was wirklich nicht mehr.
Bei aller römisch-praktischen Detailfreude der Regel ist die Gelübde-Dreiheit Benedikts keine asketische oder gar rechtliche / kanonistische Festzurrung von drei einzelnen Gelübden. Vielmehr wird eine ganzheitliche Lebensdynamik in wenigen Strichen skizziert und angetönt. Sie ist eine Horizont-Vision.
Der (1) Grundklang sensiblen Hörens taucht bereits im ersten Regelwort auf: „ausculta“. Und schon im zweiten Vers der Regel wird die Übersetzung in das (2) Arbeitsfeld des „klösterlichen Lebens(-wandels)“ angedeutet. Benedikt spricht von der „Arbeit (des Hörens) – oboedientiae labor“. Alles Weitere in den 73 Regelkapiteln sind Hör- und Arbeitshilfen, im Kleinen und sogar im Kleinsten des Lebens, Gott zu entdecken. So wird der Mönch den (3) Zielort seines Lebens finden
Mit den Psalmen nennt Benedikt diesen Ort Gottes „Zelt - tabernaculum“ und seinen “heiligen Berg“ (RB Prol 22). Im Schlusskapitel der Regel spricht er vom „himmlischen Vaterland – patria caelestis“ und den „Höhen gelungenen Lebens – maiora doctrinae virtutumque culmina“ (RB 73,8). Kapitel 4 holt diesen Zielort auf die Erde herab, in den „den Bereich des Klosters- claustra monasterii“ (RB 4,78; ebenso 67,7). Das Kloster ist einerseits „nur“ die Werkstatt des himmlischen Ziels, andererseits lebt es als solche nur aus der Vor-Schau des Himmels. Ohne diese Vor-Schau wäre das Kloster nicht mehr als ein funzliger Bastelkeller der Selbsterlösung.
In meinen Gedankenspielen um das Versprechen der „Stabilitas“ stoße ich immer wieder auf das nah verwandte „stabulum“, das wir als Lehnwort in unserer Sprache als „Stall“ und als „(Chor-)Stalle“ wiederfinden. Von da ist es nicht weit bis zum „Stallgeruch“. Ich schmunzle über die Wege meines Phantasiespiels, aber ich nehme es mit Humor ernst: Das Gelübde der Stabilitas spricht vom Stallgeruch meines Klosters, des Mönch- und Christseins, vom Stallgeruch des Himmels, - ja, Gottes. Das Versprechen der Stabilitas ist eine „Standortbestimmung“ und … eine „Duftnote Himmel“:
Ohne die späteren Entwicklungen, die die rechtlichen und asketischen Aspekte der Ordensgelübde herausarbeiteten und in einer „gotischen Frömmigkeit“ überhaupt zu einer vielfältigen Gelübdelust führten, gering zu schätzen, sollte der altmonastische ganzheitliche Hinter-Grund stärker in den Blick genommen werden. Er ist so etwas wie der Goldhintergrund einer russischen Ikone, eine Horizontahnung unendlicher Ewigkeit.
Albert Altenähr
2015-01-28