Hören und Ankommen
Gedanken zum Jahreswechsel
In unseren Klöstern lesen wir – aufgeteilt in Abschnitten - dreimal innerhalb des Jahres die Regel des hl. Benedikt. So ergibt es sich, dass wir jeweils an Neujahr mit dem Prolog der Regel beginnen und an Silvester das letzte Kapitel hören.
Man kann es noch ein wenig zugespitzter formulieren. Am 1. Januar beginnt die Regellesung mit einem Programmwort, am letzten Dezembertag endet sie mit einem Summa-Summarum. Dazwischen entfaltet sich der Aufgabenweg der Alltage.
Das erste Wort unserer Regel lautet „ausculta – höre“, ihr letztes, ihr Zielwort ist „pervenies – du wirst ankommen“. Diese beiden Worte sind der Rahmen der Regel, ihr Alpha und ihr Omega. Sie sind ihr Ruf, der uns auf den Weg schickt, und die Verheißung, die uns lockt.
Dann gibt es noch die Mitte. Bei 73 Regelkapiteln sind das die Kapitel 36 und 37. Das sind die Kapitel über die kranken Brüder bzw. die Alten und Kinder. In der Mitte der Regel …, oder sollte man sagen: im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen nicht die Starken, sondern die schwachen Glieder der Gemeinschaft. Sie sind der „Ernstfall“, an dem sich die Authentizität des Weges der Gemeinschaft und jedes Einzelnen auskristallisiert. Sie sind innerhalb der Klausurmauern die „Armen und Pilger“ bzw. die „Reichen“, die als Gäste an die Pforte klopfen (RB 53,16). Die Starken stehen durch ihre Belastbarkeit und Kraft natürlicherweise so sehr „in der Frontlinie“, dass die Schwachen leicht „ins Hintertreffen“ geraten. Hier greift dann die Mahnung zur „maßvollen Unterscheidung“, der "diskreten" Aufmerksamkei, die gewissermaßen die „Mutter des Klosters“ ist (vgl. RB 64,16-19).
Die beiden Rahmenworte der Regel „ausculta“ und „pervenies“ sind Programm für jeden einzelnen Tag, für das vor uns liegende Jahr 2016, für das ganze Leben als Mönch, als Christ, als Mensch.
Ich wünsche mir und uns allen, dass Gott uns auf diesem Weg begleite und uns das Ankommen schenke.
Albert Altenähr
2015-12-31