Mit den Mönchen beten und singen
Ein wesentliches Element benediktinischen Betens ist das gemeinsame Gebet im Rhythmus der Horen, der Stunden des Tages. Unser öffentliches Beten ist weitgehend Chorgebet und Stundengebet.
Für dieses gemeinsame Gebet hat sich seit seinen Anfängen eine gebundene Form empfohlen. Die Beter folgen vor-gegebenen Texten, die sie der Heiligen Schrift entnommen haben, z.B. die Psalmen, oder die zu bestimmten Zeiten großen Anklang fanden, wie z.B. die Hymnen.
Die Rückbindung an etwas seit alters Gegebenes lässt das Chorgebet einerseits immer etwas Fremdes sein. Es darum beiseite zu schieben und zu einem mir/uns scheinbar gemäßeren Gebet zu greifen, übersieht leicht, dass Gebet als Gespräch mit Gott wohl nie ein glatter Weg, sondern immer ein Stolpergehen ist.
In ihrer Fremdheit sind Form und Texte des Chorgebets eine Einladung zu wacher Hörsamkeit. Beten reduziert sich nicht in ein Irgendwie-drauf-los-Sprudeln persönlicher Gottfühligkeit, sondern ist der Dialog des Hörens, was Gott mir sagen will, und der Antwort, die ich mit meinem Leben – und dann vielleicht sogar in meinen Worten – gebe.
Die Hörsamkeit als wesentliches Element des Chorgebets hat auch einen Solidaritätsaspekt. Ich bete nicht alleine und nur für mich. Ich bete zusammen mit anderen. Und jeder der Mitbeter ist anders als ich. Er ist mir vielleicht sehr nahe, aber zugleich ist er ein Fremder. Er hat seine inneren Klausurbereiche, die mir verschlossen bleiben. Und das ist nicht nur so, sondern das ist auch gut so. Im Chorgebet bete ich über die Grenze meiner eigenen Chorstalle hinaus in die anderen Chorstallen hinüber, über die Kirchenmauer hinaus in die Welt, und über das Heute hinaus in die Vergangenheit zurück und in die Zukunft voraus.
Die Rückbindung an vorgegebene Texte, Formulierungen und Formen hat neben dem Befremdenden zugleich etwas Befreiendes. Ich muss nicht jedesmal das Beten und Gebete neu erfinden. Die alten Texte und Formen sind ein Netz, in das mich fallen lassen kann, auch wenn mir „nicht so ist“. Diese Freiheit erlaubt ein Durchatmen ohne Stress und gegen den Stress. Gewissermaßen betet e s aus mir und um mich herum, ohne das i c h jetzt beten m u s s .
Ganz praktisch wollen diese Gedanken unsere Besucher einladen, unser Beten m i t zumachen. Die Hörsamkeit bewahrt jeden von uns Betenden davor, sich als Bet-Solist von den andern zu trennen oder gar gegen ihn zu profilieren. Sie lockt uns in die Stille der leisen Stimme und eines meditativ-ruhigen Gebetsflusses. Die Hörsamkeit ist ein Schlüssel zur Erfahrung des Geheimnisses.
PS: In diesen Zeilen gebrauchte ich häufiger das seltsame Wort „Hörsamkeit“. Ich habe es vor längerer Zeit in einem Zitat von Martin Heidegger gefunden. Beim Nachdenken darüber fiel mir auf, dass die Schlussilbe „-sam“ doch in recht vielen unserer Wörter auftaucht. Dem bin ich weiter nachgegangen. Etymologische Wörterbücher machen darauf aufmerksam (… schon wieder: ...-sam!), dass diese Silbe eine Intensivierung des Grundwortes andeutet. Es will das ursprüngliche Wort verdoppeln. Es sagt das Wort noch einmal; … the same im Englischen. Hörsamkeit wäre demnach etwa „hörend hören“
Albert Altenähr
2019-09-28