Zu Regula Benedicti 58,7
„... ob er wirklich Gott sucht“. Oder: Suche mehr, als du suchst!
Die Benediktregel will den Mönch, der sich ihr anvertraut, auf die Spur Gottes setzen. Für gelingendes und gelungenes Mönchsein erkennt sie ein Kriterium: ob er wirklich Gott sucht. Dieses Kriterium formuliert Benedikt für den, der an der Klosterpforte um Aufnahme angefragt hat und nun als Novize seine ersten Schritte in der Gemeinschaft tut. Nur dieses eine Mal formuliert Benedikt das Kriterium, aber diese einmalige Formulierung ist so radikal einmalig, dass sie zugleich Grund- und Schlussstein des monastischen Lebensgebäudes ist. Am Ende seines Lebens wird sich der Mönch noch einmal fragen lassen mnüssen, ob er die Ur-Kunde vom Gottsuchen sein Leben hat durchwirken lassen. Habe ich wirklich Gott gesucht. Habe ich wirklich Gott g e s u c h t ? Habe ich wirklich G o t t gesucht? Habe ich w i r k l i c h Gott gesucht? Wenn er diese Frage nach der Summe seines Lebens an sich heranlässt, dann wird er sie als schmerzvoll (ein-)schneidende Frage wahrnehmen und wahrscheinlich nur sehr zögernd, vorsichtig antworten. Vielleicht darf man sogar so weit gehen zu vermuten: je stimmiger der Mönch dem Kriterium des Meisters entspricht, desto ungenügender wird er sich selbst einschätzen.
In der großen eucharistischen Erzählung des Johannesevangeliums leuchtete den Menschen in strahlender Klarheit die Messiaswirklichkeit Jesu auf. Er hatte das Brot vermehrt und die Vielen gespeist. Sie folgten dem Meister und suchten ihn, als er sich ihnen entzog. Als sie ihn gefunden hatten, hält Jesus ihnen vor: „Amen, amen, ich sage euch: Ihr sucht mich nicht, weil ihr Zeichen gesehen habt, sondern weil ihr von den Broten gegessen habt und satt geworden seid“ (Joh 6,26). Jesu Anfrage in der konkreten Situation der Erzählung damals lässt sich unschwer auf die Mönche Benedikts und all jene übersetzen, die in Benedikts Regel eine Richtschnur für ihr Leben erkennen. Sucht ihr, - suchen wir d a s , was wir zu suchen behaupten? Suchen wir es w i r k l i c h ? S u c h e n wir überhaupt?
Jesu Frage im Johannesevangelium schickt einen jeden, der sich zu ihm bekennt, noch einmal zurück in die Motivsuche seines Christusbekenntnisses. Jesus nennt ein ganz konkretes „Datum“ (= ein Gegebenes, eine Gabe) und dessen verifizierbare Wirkung als das, was die Leute fasziniert. Er hat ihnen Brot gegeben, - sie haben gegessen und sie sind satt geworden. Spitz formuliert könnte man vielleicht sagen: Die Leute damals wollten den Jesus, der das Leben „sicher“ macht, - der sie „satt“ macht. Sie suchten eine ideale, - eine heile Welt, - das Paradies auf Erden. Aber genau hier zeigt sich ihre Suche in all ihrer Grenze: sie suchten das Heil innerhalb der Welt. Sie suchten kategoriale Heil-Erfahrungen und glaubten, diese Erfahrungen seien bereits das transzendentale Heil.
Kann ich als Mönch „Daten“ erkennen, die mich in den Kategorien der Welt meines benediktinischen Mönchseins vergewissern? Wie gehe ich mit diesen „Daten“ um, - wie gewichte und bewerte ich sie? Ohne Anspruch auf Vollständigkeit und hierarchische Ordnung seien einige Elemente genannt, die gemeinhin – oder zumindest oft – als typisch benediktinisch gelten. Da ist die Gemeinschaft der Brüder, die in der „stabilitas“ der Beziehungen untereinander an einem Ort ihre Berufung lebt. Strukturen sind im Zueinander der Personen und Aufgaben und im Rhythmus der Zeitordnung von gemeinsamem Gebet, von Arbeit und Lesung erkennbar. Der Gesang des Chorals klingt im Ohr, - die liturgischen Formen erfreuen Herz und Sinne. Als spirituelle Quellen werden vor allem die Heilige Schrift und darin noch einmal in besonderer Weise die Psalmen aufgezeigt. Die Benediktregel selbst, die Rechtsvorgaben der Konstitutionen und die tradierten Usanzen des einzelnen Klosters geben meinem Mönchsleben Konturen.
Das alles – und darüber hinaus natürlich auch noch das, was in dieser Aufzählung vielleicht vergessen wurde – ist nicht nur Brot für den Tisch des benediktinischen Lebens, - es ist ein überaus reiches Angebot für das mönchische Lebensmenu. Es schmeckt und sättigt. Ich bin sicher wegen des einen und anderen genannten Elementes vor Jahren Benediktinier geworden, - habe mehr und mehr auch die anderen Elemente in mich aufgenommen, - und jetzt bin ich Benediktiner. ... Bin ich es wirklich – oder muss ich auch mir die Frage Jesu stellen lassen: „Nutzt du die Werkzeuge benediktinischen Lebens als Werkzeuge oder hältst du sie bereits für das Werkstück?“ Die Werkzeuge mögen an sich und in sich noch so schön und beglückend sein, sie sind nicht dazu geschaffen, dass man bei ihnen endet, sondern dass man mit ihnen arbeitet. Vielleicht darf man auch an die Sprichwort-Weisheit erinnern: „Schiffe sind im Hafen sicher, aber dazu sind sie nicht gemacht.“
Wahrscheinlich wird ein jeder den einen oder anderen Menschen - und eben auch den einen oder anderen Mönch – kennen, der alles richtig machen will und vielleicht sogar richtig macht. Als normaler Menschen „draußen“ haben viele auch sehr klare Vorstellungen, was ein richtiger Mönch ist und wie er aussieht. Und bei der Suche nach einem Kloster wird wahrscheinlich jeder Interessent nach einem richtigen Kloster Ausschau halten. Mit all diesen Richtigkeiten im Kopf ist aber durchaus noch keine Garantie gegeben, dass einer richtig zu l e b e n versteht.
In den Sprüchen der Altväter des mönchischen Lebens finde ich folgende Weisheit: „Abba Lot ging einst zu Abba Joseph und sagte zu ihm: ‚Abba, soweit ich es vermag, halte ich meine kleinen Gottesdienste, - ich faste ein wenig, - ich bete, - ich meditiere, - ich lebe in der Sammlung, - und, soweit ich kann, reinige ich meine Gedanken. Was muss ich noch tun?’ Da erhob sich der Altvater und streckte seine Hände zum Himmel hinauf. Seine Finger wurden wie zehn Feuerlichter und er sagte zu ihm: ‚Wenn du Ihn willst, werde ganz wie Feuer.’
‚Du kannst nicht Mönch sein, wenn du nicht ganz in Feuer gerätst’“[1].
Albert Altenähr OSB
2003-08-04
Bild: Fresko des hl. Benedikt im Kloster Sacro Speco, Subiaco (Foto: Daniel Tibi OSB)
[1] Apophtegmata Patrum ( Bonifaz Miller (Hg.), Weisung der Väter ... Nr.390 u. 389).