Zu Regula Benedicti Prolog 1
Höre, mein Sohn, die Weisung des Meisters
Es ist fruchtbar, Dinge und Worte zusammenzubringen, die an unterschiedlichen Stellen auftauchen. So kann Vertrautes, das man schon zur Genüge zu kennen glaubt, in neuer Lebendigkeit erkannt werden. Eine solche Zusammenschau will nicht die Eigenständigkeit des einzelnen Textes aufheben, aber sie kann doch neues Licht auf ihn werfen. Zwei Übersetzungen desselben Textes können weitere Anreicherung schenken. Martin Bubers Psalmenübersetzung und ihr sperriges Deutsch ist besonders anregend, wenn Psalmen bedacht werden sollen.
In der Regel Benedikts sind die ersten Worte Schlüssel und zugleich Zusammenfassung der ganzen Regel. Diese Worte neu und neu ins Licht zu rücken, ist ein Weg, für das Ganze der Regel eine innere Sensibilität zu gewinnen.
Das verbindende Stichwort der hier angeregten Zusammenschau von RB Prolog 1, Psalm 1,2 und Psalm 19,8-11.15 ist die "Weisung", die Tora des Herrn. Während Psalm 1 das Wort "Tora" zweimal wiederholt und so gewissermaßen einschärfend betont, variiert Psalm 19 es fünffach: Weisung, Befehle, Gebot, Furcht des Herrn, Entscheide. In gleicher Weise umspielt Psalm 119 den Tora-Begriff.
Als Fünf-Buch des Mose mit den Erzählungen vom Beginn der Schöpfung bis zum Tod des Mose vor der Schwelle des Gelobten Landes hat sich den Christen der Begriff "Tora" wohl nur teilweise eingeprägt. Die andere Bedeutung als Sammlung von Vorschriften und Verboten scheint mir bei uns Christen geläufiger zu sein. Umso mehr empfiehlt es sich für uns Mönche, gerade den leicht vergessenen Aspekt sich immer wieder vor Augen zu stellen. Die "Weisungen des Herrn" sind keine am grünen göttlichen Juristentisch verfasste(n) "Kommandosache(n)". Sie sind vielmehr Früchte, die aus den Wurzeln der Geschichte(n) Gottes mit seiner Schöpfung, seinem Mensch-Geschöpf und seinem erwählten/geliebten Volk erwachsen.
Psalm 1,2 | |
Selig der Mensch, der seine Lust hat an der Weisung des Herrn, * der bei Tag und bei Nacht über seine Weisung nachsinnt. |
O Glück des Mannes, der Lust hat an seiner Weisung, über seiner Weisung murmelt tages und nachts! |
Psalm 19,8-11.15 | |
Die Weisung des Herrn ist vollkommen, * Das Zeugnis des Herrn ist verlässlich, * Die Befehle des Herrn sind gerade, * Das Gebot des Herrn ist lauter, * Die Furcht des Herrn ist rein, * Die Entscheide des Herrn sind wahr, * Kostbarer sind sie als Gold, als Feingold Die Worte meines Mundes mögen |
Seine Weisung ist schlicht, Seine Vergegenwärtigung treu, Seine Anordnungen sind gerade, Sein Gebot ist lauter, Seine Fürchtigkeit rein, Seine Rechtsgeheiße sind Treue, die köstlicher sind als Gold, Zugnaden seien |
Übersetzung: Münsterschwarzacher Psalter |
Übersetzung: Martin Buber |
Als ich die hier vorgelegte Zusammenschau erstellte, berührten mich besonders jene Verse und Aussagen des Psalms 19, die die Wirkungen der "Weisung" benennen. Bei Buber fällt mir auf, dass er dazu Partizipien verwendet. Das gibt den Aussagen etwas Schwebendes und verlockend Verheißendes:
Die Weisung des Herrn erquickt die Seele,
den Unwissenden macht sie weise,
das Herz erfüllt sie mit Freude,
sie erleuchtet die Augen.
Um mich nicht in viele Worte hinein zu verlieren, will ich mich auf einen Rat beschränken: Lesen Sie noch einmal, was Psalm 19 über die Wirkungen der Tora sagt. Legen Sie dann den Text beiseite, - ... griffbereit, um ihn am Abend noch einmal zur Hand zu nehmen. ... und auch morgen kann er Sie in den Tag hinein begleiten und am Abend kann er Sie in die Nacht verabschieden.
Die Macht der Worte ist bekannt. Ich traue auch der Macht der angeblich "nur" schönen Worte. Sie sind gute Worte. Sie haben Wirkung.
Höre, mein Sohn, die Weisung des Meisters.
Meditatio cordis mei in conspectu tuo, Domine.
Das Sinnen meines Herzens stehe dir vor Augen, Herr.
Das Tönen meines Herzens vor deinen Augen, Du.
Albert Altenähr OSB
2010-06-23