Nizza … - Türkei …
Am Abend des Putschversuchs in der Türkei (16.7.2016) erhielt ich eine Email, … nur die Frage: „Was ist los in dieser Welt???“ Die Frage ringt nach einer Antwort und weiß schon in ihrem Ansatz, dass sie keine finden wird. Die Frage sucht aber auch mehr als eine Antwort, - sie sucht die ermutigende Solidarität mit andern Fragenden, in diesem Fall mit mir. Sie fragt danach: Wie wirst du mit solchen Nachrichten und „Sachen“ fertig? Darauf kann ich antwortend reagieren, ohne dass es eine Antwort auf die formulierte Urfrage ist „Was ist los in dieser Welt???“ - -
Die am 2. Juli verstorbene Äbtissin Clementia von Eibingen hatte ihr Amt unter das Wort „Ipse faciet“ gestellt. Als ich bei der Beerdigung darauf aufmerksam wurde, stutzte ich „elektrisiert“. Das Wort kannte ich sehr gut aus einem anderen Zusammenhang, … seit meiner Arbeit an meiner Dissertation Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre des verg. Jahrhunderts.
„Ipse faciet“ ist ein Wortfragment aus Psalm 37,5: „Revela Domino viam tuam et spera in eum et ipse faciet. - Befiehl dem Herrn deinen Weg und vertrau ihm; er wird es fügen“. Martin Buber hat die schöne Übersetzung: „Wälze IHM deinen Weg zu und sei gesichert bei IHM, er wirds tun.“
Paul Gerhardt hat Luthers Übersetzung von Psalm 37,5 zu dem Gedicht „Befiehl du deine Wege“ (1653) angeregt. Die zwölf Strophen des Gedichtes beginnen jeweils mit einem Wort des Verses in der Übersetzung Luthers. Wenn man die jeweils ersten Worte der Strophen hintereinander liest, ergibt das den Vers: „Befiehl dem Herren dein’ Weg (und) hoff auf ihn, er wird’s wohl machen“.
Die siebte Strophe des Gedichtes von Paul Gerhardt lautet:
AUF, auf, gib deinem Schmerze
und Sorgen Gute Nacht!
Lass fahren, was das Herze
betrübt und traurig macht;
bist du doch nicht Regente,
der alles führen soll:
Gott sitzt im Regimente
und führet alles wohl.
Dietrich Bonhoeffer hat drei Wochen nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20 Juli 1944 Paul Gerhardts Gedicht als sein Bekenntnis aufgenommen: „Im übrigen sitzt nach wie vor Gott im Regiment“ (10.8.1944). Das Bonhoeffer-Wort begleitet mich seit den beginnenden 70er Jahren. Es hat mich im Blick auf Bonhoeffers eigene Situation 1944 beeindruckt und wurde mir durch sein eigenes Lebens- und Todeszeugnis glaub-würdig.
Das Motto-Wort von Äbtissin Clementia ist mir vor gut einer Woche wieder einmal das Erleben gewesen, dass Worte leben(s)-ermutigend „gültig“ sind und leben(s)-lang tragen können.
Nizza …, Türkei …, es ist unfassbar, schrecklich, verunsichernd, aber in all dem gilt nach wie vor, Gott sitzt im Regiment!
Albert Altenähr
2016-07-17