Pretiosen aus Psalm 37
Es sind in den Psalmen immer wieder Einzelverse und -bilder, die mir einen Psalm und das Psalmengebet insgesamt lieb machen. Ich markiere sie in meinem Psalmenbuch. So tauchen sie im Rhythmus unserer Gebetswochen immer wieder als gute Sonnenblitze auf, erhellen die Stunde, den Tag und was alles da zusammenkommt. Nach und nach werden sie zum „Besitz“.
In Psalm 37, den wir am Donnerstag in der Vigil beten, sind es drei Verse, die ich mir unterstrichen habe.
Vers 4a: Habe deine Lust am Herrn!
Vers 11: Die Armen werden das Land besitzen,
und ihre Lust haben an der Fülle des Friedens.
Vers 37b: Eine Zukunft hat der Mensch des Friedens.
Ohne und vor aller bibelwissenschaftlichen Vertiefung bringen diese Verse in mir einfach Saiten ins Klingen, die die Musik einer guten Botschaft ins Ohr des Herzens spielen. Es sind Worte wie „Lust“, „Friede“ und „Zukunft“, deren Sehnsuchtsgehalt etwas ins Klingen bringt.
Ist es die Botschaft der Seligpreisungen, die ich in den alttestamentlichen Worten höre? „Selig die Armen im Geiste …“ (Mt 5)? Ich denke, sie schwingen in den Versen mir mit.
Ich lese das Umfeld von Vers 4 und finde dort:
Vertrau auf den Herrn und tu das Gute,
wohne im Land und hüte die Treue!
Habe deine Lust am Herrn!
Was dein Herz begehrt, wird er dir geben.
Befiehl dem Herrn deinen Weg,
vertrau ihm - er wird es machen
Er lässt deine Gerechtigkeit aufgehn wie das Licht,
und deine Recht wie die Helle des Mittags.
Werde still vor dem HERRN und hoffe auf ihn. (VV 3-7a)
Wer sind die Armen von Psalm 37? Als ihr Gegenüber werden die „Bösen“, die „Übeltäter“, die „Frevler“ genannt. Es sind wohl die, die sich um Gott nicht scheren, sondern denen der Erfolg und die Macht Lebensziel ist. Der Ellenbogen ist ihr tägliches Kampfmittel. Es sind die Goliats aller Zeiten, denen sich der Hirtenjunge David gegenüber sieht.
Die Davids gestern wie heute müssen wohl auch mit sich selbst ringen, um sich nicht ihrerseits zu Goliats aufzupolstern und aufzuplustern. Die Versuchung ist da, selbst „groß“ werden zu wollen und im Spiel der Macht erfolgreich zu sein. Wenn das eine Denkrichtung ist, die auch an den Psalm angelegt werden kann, dann ist Psalm 37 auch ein Versuch, in den Versuchungen des Erfolgstrebens die innere Ausrichtung zu bewahren und neu und neu zu gewinnen: die Lust am Herrn.
Immer wieder finde ich in den Psalmen dieses Ringen um den Gottesweg angesichts des reichen Angebots an Menschenwegen. Sehr oft stehen die „Rosse und Wagen“ für die Goliat-Versuchung. Die Psalmisten beten sich dagegen an und beten sich hinein in die „Kraft des Namens des Herrn“.
Ich schaue in Martin Bubers Übersetzung von Psalm 37 hinein und freue mich an der starken Sprache seines Textes. Die Unvertrautheit und Sperrigkeit des Buberschen Vokabulars zieht in ein zweites Hinschauen hinein und lockt in das Murmeln des Textes, um seinem Gehalt nachzuhorchen.
Sei gesichert an IHM und tue gut,
wohne im Land und weide in Vertrauen,
und erquicke dich an IHM,
und deines Herzens Wünsche wird er dir geben.
Wälze IHM deinen Weg zu
und sei gesichert bei IHM,
er wird’s tun.
Er führt hervor wie das Licht deine Wahrheit,
dein Recht wie die Mittagshelle.
Sei IHM still
und erharre ihn!
Den Vers 37b übersetzt Buber:
Nachblieb hat ein Mann des Friedens.
In meinem Psalmenbeten heißt es immer „Zukunft“, hier lautet es „Nachblieb“. Beides ist verheißungsgefüllt. Mit Gott öffnet sich mir der Weg einer Zukunft. Und … es bleibt etwas, wenn ich den Weg mit Gott gehe. Ob es die Zahl der Lebens- und Amtsjahre ist, die mir das Fragen nach dem „Nachblieb“ wichtig macht?
Was ich da so zusammenschreibe, ist alles sehr persönlich, naiv und so gar nicht bibel-fachlich. Es gibt einfaches Echo der Bibellese, des Psalmengebets und eines Hier-und-da-Hängenbleibens an Worten und Bildern. Worte und Bilder sind aber nicht nur Worte und Bilder. Sie sind machtvoll. Sie machen etwas mit mir. Sie weisen neue Blickrichtungen. Sie weiten Horizonte.
Worte verändern die Welt … und vor allem mich selbst.
Abt Albert Altenähr OSB
2006-10-17
Zeichnung: Albert Altenähr OSB