zu Psalm 20,8
Wir sind stark im Namen des Herrn
Ich muss gestehen: ich bin noch lange nicht so gefestigt in mir selbst – geschweige denn im Glauben – dass es mich unberührt lässt, wenn andere mit beachtlichen äußeren Erfolgen daherkommen oder auch davon reden.
Manches Mal ist es ja wirklich und rundum beachtlich, was sie vorweisen können. Manchmal meine ich aber auch zu spüren, dass da eine Spannung besteht zwischen dem, was nach draußen präsentiert wird, und dem, was an Gehalt dahinter steckt.
Ich frage mich, warum es mich unruhig werden lässt und wurmt, dass andere so „groß“ sind oder auch nur so tun. Offensichtlich bin ich gar nicht so viel besser als sie, denn ich bin ja wohl neidisch und eifersüchtig. Ist es nicht auch ein Hinweis auf eigene Minderwertigkeitsgefühle, dass ich nicht gelassener bin? Habe ich tatsächlich so wenig Profil, dass ich glaube, vor ihnen nicht bestehen und mit ihnen nicht in Konkurrenz treten zu können? Oder anders gefragt: Wo liegt mein Profil? Wo sollte und könnte ich es schärfen? Wo und wie könnte ich Tiefe und Tiefgang bekommen, aus denen etwas nach oben, - in die Höhe wachsen kann? Wenn ich wirklich Tiefe habe, dann kann ich auf Hochstapelei verzichten.
In Psalm 20,8 lese ich:
Die einen sind stark durch Wagen, die andern durch Rosse *
wir aber sind stark im Namen des Herrn, unsres Gottes.
Ganz ähnlich lautet es in Psalm 33,16f:
Dem König hilft nicht sein starkes Heer, *
der Held rettet sich nicht durch große Stärke.Nichts nützen die Rosse zum Sieg, *
mit all ihrer Kraft können sie niemand retten.
Und noch einmal finde ich im Psalter dieselbe Bildwelt; Psalm 147,10 betet:
Er hat keine Freude an der Kraft des Pferdes, *
kein Gefallen am schnellen Lauf des Mannes.
Anfangs haben mich diese Texte irritiert, denn Pferde haben für mich in ihrer Eleganz und Kraft etwas enorm Faszinierendes an sich. Das Pferd ist ein schönes Tier. Ich verbinde nur Positives mit der Vorstellung „Pferd“. Als Arbeitstier ist es mir fast nur noch in der Erinnerung präsent. Als Reit- und Turnierpferd strahlt es etwas Edles aus. So ist mein Empfinden.
In der Bibel, zumal in alttestamentlicher Zeit, scheint das Empfinden ein ganz anderes zu sein. Gut, die Kraft und Stärke des Pferdes werden ebenfalls bewundert, aber es wird dann auch verbunden mit Krieg, menschlichem Hochmut und Gottvergessenheit. Ross und Reiter, Pferde und Wagen sind Kriegswaffen, denen Israel nichts entgegenzusetzen hatte. Sie sind das Machtpotential der Großmächte, vor dem Israel seine ganze irdische Ohnmacht erfährt.
Die Versuchung ist groß, es den Großmächtigen gleich tun zu wollen. Die Bewunderung, die das Kriegspferd im Buch Ijob erfährt, lässt die verführerische Verlockung ahnen, die von der „Hochtechnologie“ ausgeht. Derselbe Text ist aber auch kritische Reflexion, dass es über und hinter aller irdischen Macht-Herrlichkeit noch ein anderer, nämlich Gott, steht. Der Text ist somit auch Mahnung, sich nicht von falschem Glanz blenden zu lassen. Er ist Anfrage an mich, wo ich meine Kraftquelle habe.
Ijob 39,19–25:
Gabst du dem Roß die Heldenstärke, *
kleidest du mit einer Mähne seinen Hals?Läßt du wie Heuschrecken es springen? *
Furchtbar ist sein stolzes Wiehern.Es scharrt im Tal und freut sich, *
zieht mit Macht dem Kampf entgegen.Es spottet der Furcht und kennt keine Angst *
und kehrt nicht um vor dem Schwert.Über ihm klirrt der Köcher, *
Speer und Sichelschwert blitzen.Mit Donnerbeben wirbelt es den Staub auf, *
steht nicht still beim Klang des Horns.Sooft das Horn hallt, wiehert es «hui» /
und wittert den Kampf schon von weitem, *
der Anführer Lärm und das Schlachtgeschrei.
Vor dem Hintergrund dieser biblischen Bilder erschließen sich mir auch andere Worte neu. Wenn die Schwester des Mose nach dem Durchzug durch das Rote Meer singt: „... Rosse und Wagen warf er ins Meer“ oder Psalm 136,15: „... er stürzt den Pharao ins Meer samt seinem Heer“, dann geht es den Sängern nicht um menschliche Einzelschicksale, sondern um eine kritische Beleuchtung von Machtstrukturen und Durchsetzungsstrategien. In diesem Sinn denkt das Magnificat Mariens nicht weniger radikal als die alttestamentlichen Sänger und Dichter:
Lukas 2, 51–53:
Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten: *
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind;er stürzt die Mächtigen vom Thron *
und erhöht die Niedrigen.Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben *
und läßt die Reichen leer ausgehen.
Was Israel in seinen Liedern singt und in seinen Geschichten erzählt, ist dabei weniger der Vergeltungswunsch gegen andere, sondern mehr die Erfahrung, dass das Volk als der kleine „David“ vor der Großmacht und Großspurigkeit „Goliats“ bestehen kann, wenn es in Jahwe verwurzelt ist. Es sind nicht einfach nur Gedanken billiger Selbsttröstung, sondern viel positiver Gedanken der Ermutigung und der Stärkung des Selbstbewusstseins: Wir sind wer, ... auch wenn wir äußerlich nicht so viel daher machen können wie andere. Wir sind wer, ... weil wir innerlich stimmig sind. David tritt Goliat entgegen mit den Worten: „Du kommst zu mir mit Schwert, Speer und Sichelschwert; ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heere“ (1 Sam 17,45).
Wenn ich die Geschichte Davids weiterlese, dann erfahre ich allerdings auch, dass David selbst großmächtig wurde und darauf stolz ist. Hat also doch Goliat über David gesiegt – und nicht umgekehrt? Die Großmannsucht scheint eine nicht auszurottende Versuchung zu bleiben. Die innere Stimmigkeit, - die Gottesstimme in mir ist kein unangefochtener und unanfechtbarer Besitz. Ich werde mich immer wieder und immer wieder neu um sie bemühen müssen.
Abt. Albert Altenähr OSB
2001-08-20