zu Psalm 42,2
„Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser …“
Es ist Spätsommer, Anfang September. Seit etlichen Tagen treiben Sonne und Windstille die Temperaturen hoch. Die Wassernöte im Alpen- und Voralpenland vor gut zwei Wochen und seit einer Woche nach dem Hurrikan „Katrina“ sind nachrichten-nah und doch gleichzeitig weit weg, ... so trocken ist die Erde.
Ich gehe durch den Garten. Vor 1 ½ Monaten fragten mich Gäste aus Sardinien, ob es bei uns im Sommer immer so grün sei. Das war ihre Sommerüberraschung in Deutschland, die sie zu Hause erzählen würden. Auch jetzt ist das Grün von Blättern und Gras noch die beherrschende Farbe, wenn auch schon durchsprenkelt mit der Bräune des Herbstes. Und schon fallen die ersten Blätter.
Der Boden aber ist knochentrocken. Der Hortensienbusch protestiert nach Wasser. Ich war den Sommer über ziemlich knausrig, was das Wasser anbelangt. Wasser ist zu kostbar, als dass man es vergeuden dürfte. Die Pflanzen scheinen das eingesehen zu haben und haben sich über all die Zeit tapfer gehalten. Aber jetzt signalisieren die Hortensien: Was zuviel ist, ist zuviel! Wasser! Ich hole den Gartenschlauch und gönne den Pflanzen eine abendliche Dusche.
Ich bereite mich auf die Messe vor. Als Kommunionspruch lese ich Psalm 42,2f: „Wie der Hirsch lechzt nach frischem Wasser, so lechzt meine Seele, Gott, nach dir. Meine Seele dürstet nach Gott, nach dem lebendigen Gott.“ Ein großartiges Bild, - ich verstehe es auf Anhieb, - aber so ganz vertraut ist es mir nie geworden. Mit Hirschen allgemein kenne ich mich nicht besonders aus, - ich kenne sie höchstens aus zoologischen Gärten. Und Hirsche in Palästina, - auf Reisen im Heiligen Land sind sie mir nicht begegnet.
Gerade aber habe ich die Hortensie gesehen, wie sie ihre Blätter hängen ließ. Jetzt lese ich Psalm 42. Und in diesem Moment schießt mir als norddeutsche September-Übersetzung 2005 durch den Kopf: „Wie die Hortensie lechzt nach frischem Wasser ...“ Warum eigentlich nicht? Das ist mir heute konkret begegnet. Das ist mir plastisch vor Augen.
Mit diesem vertrauten Bild tritt aber auch der Psalmvers 42,2f aus seiner fernen Erhabenheit heraus und wird konkret, - sogar unangenehm konkret. Wie ist das mit meinem „Lechzen nach Gott“? So etwas lässt sich immer sehr gut und leicht sagen, - es betet sich auch sehr schön, - aber wie tief geht das und welche Konsequenzen hat das?
Ich werde nachdenklich, - beim Blick in den Spiegel hoffentlich auch bescheiden, - und kann nur ganz stark hoffen, dass Gott sich trotz (und wegen) meiner Grenzen als überfließender Quell des Lebens schenkt.
Abt Albert Altenähr OSB
2005-09-06