zu Psalm 118,7
Vom positiven Hochmut
Es war 1998 auf dem Berg Tabor in Israel. Ich stand auf einem Mäuerchen und erläuterte meiner Pilgergruppe Geschichte und Tradition des Ortes. Und wie es so geht, kamen wir auch auf andere Fragen. Wie kann ein Christ hochmütig sich über andere erheben? Wie kann er auf andere herabschauen? Ist nicht die Demut die christliche Haltung? Soll er sich nicht mit dem letzten, dem untersten Platz zufrieden sein?
Wie kann er mit Psalm 118,7 beten: „Der Herr ist bei mir, er ist mein Helfer; ich aber schaue auf meine Hasser herab?“
... ich stand auf einem Mäuerchen ... auf dem Berg Tabor ... Wie ein Blitz durchfuhr es mich: befreie die Worte „Hochmut“ und „herabschauen“ von der Fessel des negativen moralischen Wertungsgehalts! Begreife sie zunächst einmal von ihrer ursprünglichen Erfahrung her! Begreife sie von der konkreten Anschauung, - vom buchstäblichen Anschauen der Berge und Festungen des Landes Israel her. Dann verlieren die Worte ihre negative Moralfärbung, - dann gewinnen sie ein positives Licht. Aus dem Horizont erlebter Erfahrung sind „Hochmut“ und „herabsehen“ Worte der Stärkung und der Ermutigung. Gerade in Israel wurde mir das deutlich.
Der Einzelne und das Volk Israel als ganzes hat es immer wieder erfahren, wie gefährdet sein Leben ist. Die Menschen waren damals und sind auch heute durchaus nicht schlicht und einfach „menschenfreundlich“. Das Wort von den „Hassern“ in Psalm 118,7 mag uns zwar nicht besonders gefallen, aber ist es uns unter der Oberfläche der immer wieder betonten Toleranz nicht auch heute noch vertraut?
Das Volk Israel hat in seinem Land, durch das immer wieder Truppen vom Eufrat zum Nil und dann wieder vom Nil zum Eufrat zogen, stets neu den Schutz der Berghöhen gesucht und gefunden. Berühmt und wohl jedem Israelbesucher bekannt ist die Herodesfestung Masada über dem Toten Meer. Nach der Eroberung Jerusalems durch den römischen Feldherrn Titus (70 n.Chr.) konnte sich hier noch zwei Jahre lang ein Widerstandsnest halten. Wer einmal oben auf Masada gestanden und herabgeschaut (!) hat auf die heute noch erkennbaren Lager und Wälle der römischen Belagerer, kann sich vorstellen, wie hochgemut (!) die Belagerten ihre Situation beurteilten. Sie waren voller Hoch – Mut und schauten auf ihre Hasser herab.
Die Geschichte von Masada, seiner Belagerung und schließlichen Eroberung zeigt dann allerdings auch, dass aller Hoch – Mut nicht über-mutig machen darf. Dann bekommt der Hoch – Mut eine Schieflage und wird zum Hochmut, wie wir ihn zu Recht kritisch beurteilen.
Zunächst aber will ich es wagen: „Ich will dich rühmen, Herr, meine Stärke, Herr, du mein Fels, mein Burg, mein Retter, mein Gott, meine Feste, in der ich mich berge, mein Schild und sicheres Heil, meine Zuflucht“ (Psalm 18,2f). „Der Herr ist bei mir, er ist mein Helfer; ich aber schaue auf meine Hasser herab“ (Psalm 118,7). Gott schenke mir Stärke und Hoch – Mut; er bewahre mich vor Über – Mut.
Abt Albert Altenähr OSB
2001-09-11