zu Psalm 148
Ein Psalmenlied dem Herrn – Jahresschlussgedanken
Bischof Hemmerle hat bei einem Priestertag mein damaliges Referat über das Psalmenbeten mit dem Satz auf den Punkt gebracht: „Wenn ich die 150 Psalmen einmal gebetet habe, dann habe ich sämtliche Priester unseres Bistums durchgebetet.“ So bunt wie die Psalmen sind die Menschen. So bunt wie die Psalmen sind auch die Tage eines Jahres, - die Tage dieses Jahres 2006, das wir gerade beenden.
Die Psalmen sind insgesamt Lehrstücke über das Vielerlei des Lebens. Sie kennen das Schöne, das Unfertige, das Problematische und das Gescheiterte. Sie schönen das Leben nicht ein auf eine kontinuierliche Hoch-Zeit von „happy hours“, sondern nehmen auch die tiefen Schluchten dunkler Stunden wahr. Darum sind Psalmen zwar nicht immer schön, aber sie sind immer ehrlich.
Ihre Größe, die sie zu Meisterstücken der Weltliteratur und zu Wegbegleitern in die Ewigkeit macht, besteht darin, dass sie alles von Gott her und auf Gott hin verstehen. Gleich, ob wir ein Jahr als „annus horribilis“ oder als „annus amabilis“ erlebt haben, - es ist immer ein „Jahr des Herrn“ gewesen. Das ist die Botschaft des Psalters. Der Nobelpreis ist zu klein, um diese Hinsage-Kraft zu würdigen.
Der Psalter lässt das Kaleidoskop des durchbeteten Lebens in drei Psalmen enden, die als Halleluja-Psalmen bezeichnet werden. In der alten Gebetstradition des Brevier- und Chorgebets wurden sie jeden Tag am Ende des Frühgebets der Laudes gesungen. Sie sind ein großes Atemholen aus Gott in den steigenden Tag hinein und ein Hinatmen des Tagesgeschehens auf Gott zu.
Der erste dieser drei Psalmen, Psalm 148, schaut sich gleichsam enzyklopädisch um und listet auf, was er alles in Natur und Gesellschaft sieht. Er glaubt die Geborgenheit von allem Geschaffenen und Lebenden in Gott. Er nimmt Gott in sein Lebenskalkül auf. Das gibt ihm die Kraft, das Leben zu meistern.
Ich denke, wir dürfen in diese Liste die Tage des Jahres 2006 aufnehmen und all das, was uns an Freude und Schmerz, an Gelungenem und Ungelöstem begegnet ist.
Psalm 148
1 Lobet den Herrn vom Himmel her, *
lobt ihn in den Höhen:
2 lobt ihn all seine Engel, *
lobt ihn, all seine Scharen,
3 lobt ihn, Sonne und Mond, *
lobt ihn, all ihr leuchtenden Sterne,
4 lobt ihn, ihr Himmel der Himmel, *
und ihr Wasser über dem Himmel!
5 Sie sollen loben den Namen des Herrn! *
Denn er gebot, und sie waren erschaffen.
6 Er stellte sie hin für immer und ewig, *
gab ein Gesetz, und nie vergeht es.
7 Lobet den Herrn von der Erde her: *
ihr Ungeheuer und all ihr Tiefen,
8 Feuer und Hagel, Schnee und Nebel, *
du Sturmwind, der seinen Willen ausführt,
9 ihr Berge und all ihr Hügel, *
ihr Fruchtbäume und alle Zedern,
10 ihr wilden Tiere und alles Vieh, *
kriechende Wesen und gefiederte Vögel,
11 ihr Könige der Erde und alle Völker, *
ihr Fürsten und alle Richter der Erde,
12 ihr jungen Männer und auch ihr Mädchen, *
ihr Alten mit den Jungen!
13 Sie sollen loben den Namen des Herrn! /
Denn sein Name allein ist erhaben. *
Seine Hoheit strahlt über Erde und Himmel.
14 Die Kraft seines Volkes hat er erhoben /
zum Lob für all seine Frommen, *
für Israels Kinder, das Volk, das ihm nahe ist.
Wir dürfen mit diesem Psalm im Herzen auch das neue Jahr angehen. Es liegt als ungeöffnetes Buch vor uns. Aber wir dürfen seinen Inhalt schon jetzt wissen: Der Titel des Buches lautet „Annus Domini 2007“. Jede Tagesseite erzählt einen „Tag des Herrn“. Seine letzte Atemzeile ist die erste für das dann kommende nächste Jahr. Es ist die letzte Zeile des letzten, des 150. Psalmes:
„Alles, was Atem hat, lobe den Herrn.“
Abt Albert Altenähr OSB
2006-12-27