Besinnungszeit
Advent „de luxe“
Ich fahre selten in die Stadt hinein. Aber an diesem Tag musste ich es, um einen Termin wahrzunehmen. Die erste Adventwoche ging auf ihr Ende zu. Mein Ziel war nicht der Weihnachtsmarkt zwischen Rathaus und Dom, aber der Weg führte mich doch ganz nah an ihn heran, und da ich etwas Zeit hatte, sogar zwei, drei Meter hinein. … weiter nicht! … und ganz schnell wieder heraus!
Als ich wieder zu meinem Parkhaus zurückging, musste ich durch eine Schülergruppe hindurch. Es war eine Ansammlung von weiß-bebommelten roten Zipfelmützen und Stirnbändern mit Rentier-Geweihen. Die Truppe starrte mich in meinem Ordenshabit an, als ob ich direkt vom Mars herabgestiegen wäre. Rentier-Geweihe und Zipfelmützen waren das Normale, der Ordensmann ein Exot vom anderen Stern.
Ich sage nicht, dass das, was ich da erlebt habe, der normale Advent aller Menschen, geschweige denn aller Christen ist. Aber es ist doch eine kräftige Brandungswelle, die am Sinnfelsen des Adventes aufbrandet und an ihm nagt.
Ich war froh, wieder der Stadt entfleuchen zu können - hinaus in die trubelfreie „adventliche Leere“ von Kornelimünster, hinaus in die „adventliche Wüstenei“ meines Klosters.
Mir will scheinen, dass Besinnlichkeit erst dann Wirklichkeit werden kann, wenn wir selbst zur Besinnung kommen wollen.
Besinnlichkeit stellt sich nicht ein, wenn wir nicht „nein“ sagen zum Getriebe. Sich treiben lassen von dem und in dem, was einfach so da ist, führt ganz schnell dazu, dass wir nur noch Getriebene sind. Auch Adventsfeiern - und seien sie noch so gehaltvoll gestaltet, genügen nicht, um zur Besinnung zu kommen, und vor allem dann nicht, wenn sie nur Pausenfüller sind für die Betriebsamkeit bis hin zur Besinnungslosigkeit.
Es tut not, sich ganz persönlich und sehr bewusst herauszunehmen, wenn man zur Besinnung kommen will. Ich muss mich selbst wagen wollen.
Nicht alle werden das verstehen. Sie werden mich sonderlich finden, weil ich nicht mitmache. „Was nimmt der sich heraus?“ Ja, ich nehme mir heraus, mich herauszunehmen aus dem was man da so treibt.
Wenn ich entdecke, dass in mir wenig oder gar nichts ist, und ich mich deshalb nicht aushalten kann, dann ist das erschreckend, kann aber heilsam sein. Die Flucht zurück in das Getriebe ist nicht das Heilmittel.
Der einsame Berg und die Wüste sind die biblischen Orte und Mittel der Heilung. An ihnen tun sich Quellen und Oasen auf. Sie werfen uns auf uns selbst zurück.
Der heilige Benedikt zog sich aus dem Trubel der Stadt Rom zurück. In der Einsamkeit von Subiaco fand er eine bergende Höhle. „… et habitavit secum - und er wohnte bei sich“. Hier fand er sich selbst und mehr noch: seinen Gott.
Ich wünsche Ihnen Zeiten und Orte der Besinnung, … und das nicht nur zur Weihnachtszeit. Es ist das beste Geschenk, das Sie sich machen können. Ich wünsche Ihnen Menschen, mit denen Sie den Weg voll Vertrauen gehen können.
Abt Albert Altenähr OSB
2006-12-09