Zur alttestamentlichen Lesung am 2. Advent 2005 (Jesaja 40,1-5.9-11)
Baustelle Herz. Eine Infrastruktur für den Gottesglauben
1 Tröstet, tröstet mein Volk, spricht euer Gott.
2 Redet Jerusalem zu Herzen und verkündet der Stadt, dass ihr Frondienst zu Ende geht, dass ihre Schuld beglichen ist; denn sie hat die volle Strafe erlitten von der Hand des Herrn für all ihre Sünden.
3 Eine Stimme ruft: Bahnt für den Herrn einen Weg durch die Wüste! Baut in der Steppe eine ebene Straße für unseren Gott!
4 Jedes Tal soll sich heben, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist, soll gerade werden, und was hüglig ist, werde eben.
5 Dann offenbart sich die Herrlichkeit des Herrn, alle Sterblichen werden sie sehen. Ja, der Mund des Herrn hat gesprochen.
9 Steig auf einen hohen Berg, Zion, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme mit Macht, Jerusalem, du Botin der Freude! Erheb deine Stimme, fürchte dich nicht! Sag den Städten in Juda: Seht, da ist euer Gott.
10 Seht, Gott der Herr, kommt mit Macht, er herrscht mit starkem Arm. Seht, er bringt seinen Siegespreis mit: Alle, die er gewonnen hat, gehen vor ihm her.
11 Wie ein Hirt führt er seine Herde zur Weide, er sammelt sie mit starker Hand. Die Lämmer trägt er auf dem Arm, die Mutterschafe führt er behutsam.
Der Prophet Jesaja begegnet uns in den alttestamentlichen Messlesungen des Advent als der Freudenbote einer guten Zukunft. Dabei sprechen er und die späteren Gottesboten, deren Worte unter seinem Namen im Buch Jesaja überliefert werden, in äußerst schwierigen politischen, sozialen und auch theologischen Zeiten. Es sah alles nicht so strahlend blühend aus, wie die Menschen es sich damals – und auch heute – erhoffen. Die Schatten -, ja, die Dunkelheiten waren nicht zu übersehen. Und auch Jesaja ist nicht blind für sie. Er aber erkennt seine Berufung darin, Mutmacher zu sein, - den Blick über den Tellerrand eines im pessimistischen Realismus gefangenen Dasein zu wagen, - Weg-Führer aus den Ängsten und Perspektivlosigkeiten in eine neue Zukunft zu sein.
Jesaja ruft seinem Volk damals und den Menschen jedweder Zeit zu: „Bahnt für den Herrn in der Wüste einen Weg.“ Wenn man diese Botschaft recht besieht, ist das ein sehr modernes Programm. Straßenbau und Ausbau des Schienennetzes, - Häfen und Flughäfen sind die notwendige Infrastruktur, dass sich eine moderne Wirtschaft zum Wohlstand der Gesellschaften entwickeln kann.
Ein wenig salopp gesagt, fordert Jesaja dazu auf, in die Infrastruktur der Gottesbeziehung zu investieren. Wenn ihr da investiert, dann ändert das den Blick auf die Welt und das hat dann Auswirkungen auf euren Gestaltungswillen und eure Gestaltungskraft. Ihr seid dann schon ein Stück neue Welt und habt den guten ansteckenden Virus der Zuversicht in euch, der zum Mitmachen einlädt. Das Reich Gottes wird zwar nicht durch Macherpersönlichkeiten herbeigearbeitet, aber es gewinnt Gestalt in der Mitmachfreude von einzelnen, von Gruppen und von überhaupt allen zusammen. „Lasst uns miteinander ... singen, loben, preisen den Herrn!“
Recht zu Beginn unseres biblischen Jesaja-Textes lese ich das Wort: „Redet Jerusalem zu Herzen ...“ Hier scheint mir ein Schlüsselwort für den Ausbaus der Infrastruktur des Glaubens nahezu en passant in den Blick gerückt zu werden. Ihr Verantwortlichen und ihr alle, die ihr Mitverantwortung tragt – und wer ist das nicht? -, redet nicht an den Menschen vorbei. Begnügt euch auch nicht damit, mit mehr oder weniger guten Vorlesungen und Büchern die Köpfe eurer Gegenüber voll zu stopfen. Hütet euch auf jeden Fall davor, irgendetwas unverbindlich daher zu predigen. Vielmehr: „Verkündet! Redet zu Herzen!“ Ihr habt etwas zu sagen. Sagt es, - sagt Ihn: „Seht, da ist euer Gott.“
Zu Herzen reden wird wohl nur der können, der über ein Herzensanliegen spricht. In ihm lebt etwas. das er nicht für sich behalten kann und will. Es ist ein Feuer, das ihm warm macht, - ja, ihn heiß macht und aus dem heraus er Funken sprühen lässt. Jesaja selbst ist in den Adventslesungen der Liturgie ein zündender Zeuge solcher Botschaft. Ihn lässt Gott nicht kalt. Er ist heiß auf Gott. Er ist heiß auf eine gute Zukunft für Jerusalem.
So nimmt sich der Prophet ein Herz und stimmt gegen die ihn umgebenden Trostlosigkeiten ein Lied des Trostes an. Er nimmt seinen Gott beim Wort, - nein, beim Herzen. Er packt ihn bei seinem Innersten, der Barmherzigkeit. Du, Jahwe, hast dich mit deinem Herzen versprochen. Ich habe dich mit meinem Herzen aufgenommen. Wenn ich auf dich baue, dann baue ich an einer guten Zukunft. Seht, da ist der Weg!
Abt Albert Altenähr OSB
2005-12-01
(Kirchenzeitung Aachen)
Bild: Michelangelo, Prophet Jesaja, Sixtinische Kapelle, Vatikan