Das letzte Kalender-Türchen
Sie waren durch ganz Betlehem gezogen und hatten an den Türen geklopft. Josef hatte sie gezählt: 23 – dreiundzwanzig! – Türen waren es gewesen.
Ja, jedesmal wurden sie geöffnet, aber die Leute, die sie öffneten, brauchten gar nichts zu sagen, Josef hatte die Antwort schon gesehen, bevor sie gegeben wurde. Die Häuser waren dicht gefüllt und einfach voll. Sie waren voll mit Weihnachten, wie sie es nannten. Lichterbäume, herrliche Düfte aus den Backöfen, Sauberkeit und Stress, Friedenslametta und heile Welt. Die Häuser waren wirklich voll, beängstigend voll.
Er hatte es schon geahnt, als sie sich auf den Weg machten und sich Betlehem näherten. Schon weit vor der Stadt, weit vor dem 1. Advent, waren die Straßen überfüllt mit sogenanntem Weihnachten.
Nur noch ein Haus, Nummer 24, … und dann?
Das Haus sah nicht sehr verheißungsvoll aus. Es muffelte schon beim bloßen Ansehen einfach nach Mühsal und Welt.
Die Tür knarrte hoffnungslos rostig in den Angeln, als Josef klopfte. Er schob sie ein wenig auf und rief in das Dunkel: „Ist da jemand?“
„Dies ist keine Herberge“, kam eine Stimme aus dem Dunkel. „Windschief ..., zugig …, kein Lager, kein Essen. Zu wenig, um zu leben, eigentlich nur ein Platz, um zu sterben.“
Und bitter fügte sie hinzu: „Dazu ist Platz genug.“
Josef schaute die junge Frau an. Konnte er ihr diesen doch etwas gruseligen Platz zumuten?
„Es bewegt sich“, sagte sie. „Es drängt …, ja, es hüpft fast, … Josef, wir können nicht weiter.“
Und so tat er den Schritt in die unwirtliche Leere …
… und es geschah …
Als der Morgen anbrach, atmete Josef einfach tief durch. „Gott sei‘s gedankt, dass er uns dieses letzte Nichts gegeben hat.“ ...
Später erzählte er immer, dass ihm der Kleine an der Brust der Mutter zugezwinkert habe: „Richtig, Papa!“, um dann zufrieden eingeschlafen zu sein.
Albert Altenähr
Das letzte Kalender-Türchen
Sie waren durch ganz Betlehem gezogen und hatten an den Türen geklopft. Josef hatte sie gezählt: 23 – dreiundzwanzig! – Türen waren es gewesen.
Ja, jedesmal wurden sie geöffnet, aber die Leute, die sie öffneten, brauchten gar nichts zu sagen, Josef hatte die Antwort schon gesehen, bevor sie gegeben wurde. Die Häuser waren dicht gefüllt und einfach voll. Sie waren voll mit Weihnachten, wie sie es nannten. Lichterbäume, herrliche Düfte aus den Backöfen, Sauberkeit und Stress, Friedenslametta und heile Welt. Die Häuser waren wirklich voll, beängstigend voll.
Er hatte es schon geahnt, als sie sich auf den Weg machten und sich Betlehem näherten. Schon weit vor der Stadt, weit vor dem 1. Advent, waren die Straßen überfüllt mit sogenanntem Weihnachten.
Nur noch ein Haus, Nummer 24, … und dann?
Das Haus sah nicht sehr verheißungsvoll aus. Es muffelte schon beim bloßen Ansehen einfach nach Mühsal und Welt.
Die Tür knarrte hoffnungslos rostig in den Angeln, als Josef klopfte. Er schob sie ein wenig auf und rief in das Dunkel: „Ist da jemand?“
„Dies ist keine Herberge“, kam eine Stimme aus dem Dunkel. „Windschief ..., zugig …, kein Lager, kein Essen. Zu wenig, um zu leben, eigentlich nur ein Platz, um zu sterben.“
Und bitter fügte sie hinzu: „Dazu ist Platz genug.“
Josef schaute die junge Frau an. Konnte er ihr diesen doch etwas gruseligen Platz zumuten?
„Es bewegt sich“, sagte sie. „Es drängt …, ja, es hüpft fast, … Josef, wir können nicht weiter.“
Und so tat er den Schritt in die unwirtliche Leere …
… und es geschah …
Als der Morgen anbrach, atmete Josef einfach tief durch. „Gott sei‘s gedankt, dass er uns dieses letzte Nichts gegeben hat.“ ...
Später erzählte er immer, dass ihm der Kleine an der Brust der Mutter zugezwinkert habe: „Richtig, Papa!“, um dann zufrieden eingeschlafen zu sein.