Jesaja 52,7–10
Friede auf Erden
Jesaja, 52,7-10: „Wie willkommen sind auf den Bergen die Schritte des Freudenboten, der Frieden ankündigt, der eine frohe Botschaft bringt und Rettung verheißt, der zu Zion sagt: Dein Gott ist König. Horch, deine Wächter erheben die Stimme, sie beginnen alle zu jubeln. Denn sie sehen mit eigenen Augen, wie der Herr nach Zion zurückkehrt. Brecht in Jubel aus, jauchzt alle zusammen, ihr Trümmer Jerusalems! Denn der Herr tröstet sein Volk, er erlöst Jerusalem. Der Herr macht seinen heiligen Arm frei vor den Augen aller Völker. Alle Enden der Erde sehen das Heil unseres Gottes.“ (Alttestamentliche Lesung aus der Tagesmesse an Weihnachten)
Wer sehnt sich nicht nach ihm, dem Frieden? Welche Weihnachts- oder Neujahrsrede der Regierenden beschwört ihn nicht? Die Politiker in Ost und West, des reichen Nordens und der Problemländer des Südens, ob Papst oder Dalai Lama, Bischof oder Dorfpfarrer, - sie alle reden in den Tagen um Weihnachten und Neujahr vom Frieden. Und sie meinen, was sie sagen: Friede! Und sie sagen es alle Jahre wieder.
Friedensbotschaften heute: verträumt, kraftlos
Zwei Fragen stellen sich mir bei diesem jährlichen Chorgesang. Sprechen die Redner wirklich dieselbe Sprache und damit von derselben Sache? Und wenn sie alle von derselben Sache sprechen, warum gibt es so wenig Friede in der Welt?
Was aber schaue ich eigentlich auf die Großen und auch die Kleinen in der Welt, die Friedenswünsche und –grüße in die Welt sprechen und schreiben? Warum blicke ich die anderen kritisch an? Muss ich mich nicht selbst befragen, weil ich selbst doch genauso selig vom Frieden träume und singe? Von welcher Art Friede singen die Engel auf den Hirtenfeldern von Betlehem und unsere Weihnachtslieder? Sind etwa viele Weihnachtsbotschaften nur ein Friedensverschnitt?
Der Friede der Bibel ist prophetisch: er spricht von nichts weniger als von Gott
Vielleicht können uns die einleitenden Worte des Friedensgebetes der Messe einen Hinweis geben: „... Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch ...“ heißt es da. Dann aber fährt der biblische Text, der dort zitiert wird, fort: „Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch.“ Der Friede, von dem Jesus spricht, ist offensichtlich irgendwie anders als alle Friedensträume der Welt.
Die Tradition, in der Jesus steht und die er an uns weitergegeben hat, ist geprägt durch die großen Propheten des Alten Testaments. Die Friedensbotschaft des Jesaja, die wir in der Messlesung vom Weihnachtstag vernehmen, lässt den prophetischen Friedensbegriff aufleuchten, der das christliche Friedensverständnis prägt. Jesaja spricht nicht von irgendwelchen Waffen, die verschrottet werden müssen, damit Friede werden kann. Er spricht nicht von Verhandlungen zwischen Völkern, die zunächst zu Waffenstillständen und dann zu Friedensverträgen führen. Er spricht nicht von Toleranz und Humanität, nicht von „runden Tischen“ der Politiker und auch nicht von Welt-Friedenstagen – und seien sie noch so hochkarätig mit Religionsführern besetzt.
Von all dem spricht Jesaja nicht. Gewiss, er lehnt das alles auch nicht ab, als ob es überflüssig wäre. Womöglich würde er sogar alle nur möglichen und heute praktizierten Friedenstage tatkräftigst unterstützen. Aber in seiner Aussage ist er viel radikaler. In fast naiver Schlichtheit ist die frohe Botschaft des Freudenboten: „Dein Gott ist König. Der Herr kehrt nach Zion zurück.“ Jesaja spricht von der Seele des Friedens, ohne die die schönste Neujahrsbotschaft als leeres Buchstaben-Klingeling im Äther verschwebt.
Jesaja spricht vom Volk Israel und seinem Verhältnis zu Jahwe. Er spricht von der Vertreibung Jahwes aus dem Volk und der Notwendigkeit der Umkehr Israels zurück zu ihm. Israel ist immer wieder ganz froh darüber, Gott los zu werden, aber seine Gottlosigkeit führt es stets in den Nicht-Frieden, in die Krieg. Das biblische Israel denkt, wir schaffen die Dinge schon auf unsere Weise, - was sollen uns die Wege des Herrn? Solange Israel unterwegs ist mit und zu seinem Gott, ist es auf dem Weg zum Frieden und ist ... zu-frieden. Ohne Jahwe ist es un-zufrieden, - nicht mehr auf dem Weg zum Frieden.
Weihnachten: keine Vergangenheitsidylle, sondern ein Impulsfest, dem Frieden Geburt zu schenken
Ich merke, in meinem Lesen der Weihnachtsbotschaft habe ich die ganz aktuellen Fragen dieser Wochen mitgelesen: die Diskussionen um die Seele Europas und das christliche Abendland und in all dem die Frage nach meiner eigenen Gottverwurzelung und Gottlosigkeit. Ich spüre, der Fürst des Friedens muss noch sehr viel tiefer in mich hineingeboren werden, damit ich ein Mensch und Bote des Friedens werde. Die Geburt des Friedensfürstens Jesus Christus in mir ist ein notwendiges Fest. Wo ich diese Geburt zulasse, da wendet sich die Friedensnot, - da. verwandelt sie mich in einen Baustein für eine neue Welt des Friedens.
Europa geht nicht ohne Gott. Europa geht nicht ohne Gott in eine Friedens-Zukunft!
Abt Albert Altenähr OSB
2004-12-05
(Für die Weihnachtsausgabe der Aachener Kirchenzeitung, 2004/51, 19. Dezember 2004.)
Bild: Jacopo Bassano (ca. 1510-1592) , Anbetung der Hirten (Ausschnitt); S. Giorgio Maggiore, Venedig