Aschermittwoch-Gedanken
... und glaube an das Evangelium!
Ich formuliere gerne, dass ich aus dem Theologiestudium mit mehr Fragen als Antworten herausgekommen bin, - und ich meine das sehr positiv. Unter den Antworten aber, die ich mitgenommen habe, ohne dass ich zuvor eine entsprechende Frage gehabt hätte, gehört die Erkenntnis, dass es im Glaubensbekenntnis nicht heißt „Ich glaube, dass es einen Gott gibt“, sondern „Ich glaube an Gott – Credo in Deum“. Der Abiturient von 1961 mit neun Jahren Lateinunterricht auf dem Gymnasium hat im Studium Nachhilfeunterricht erhalten, um das kleine Wörtchen „in Deum = an Gott“ wirklich zu verstehen. Es war wohl Nachhilfe in Latein, doch ich sage lieber: es war Starthilfe in einen lebendigen Glauben.
Ich erkannte, dass im Glauben weder Gott noch ich selbst statische Größen sind, die man irgendwie passgenau ineinander einsetzen kann und muss ... und das wär’s dann. Gott ist kein Puzzle-Teilchen, mit dem ich mein Lebensbild vervollständigen kann, um dann das fertige Bild an die Wand zu hängen und mich zufrieden zurückzulehnen: ich hab’s geschafft, - ich bin mit dem lieben Gott im Reinen, - ich glaube, - der Himmel ist gesichert.
Die Nachhilfe über das kleine Wörtchen „in“ machte mir deutlich, dass das Glauben ein Unterwegssein auf Gott zu und auf Gott hin ist. Im Glauben „habe“ ich ihn nicht und ich werde ihn auch nie „haben“. Er bleibt mir immer gegenüber und voraus. Er ist immer noch einmal anders, als ich ihn mir gerade denke. Und wenn ich meine „Jetzt hab ich’s!“ ist er mir schon wieder ein, - zwei, - unendlich viele Schritte voraus. Er lockt mich auf immer neue Wegetappen. Vielleicht ist es dieser lebendig haltende Aspekt, den wir in der Person des Heiligen Geistes glauben. Etwas salopp formuliert: Die Taube als Symbol des Heiligen Geistes zeichnet Gott als „Lockvogel-Gott“.
Wenn das alles so stimmt, dann kann es auf dem Glaubensweg keinen Schlusspunkt geben, von dem ab ich sagen könnte: hier setze ich mich zur Ruhe. Es mag „Glaubens-Rentner“ geben, aber der Gedanke allein sollte zur Schrecksekunde werden, um aus dem spirituellen Ruhestand aufzuwachen. Ein geistlicher Ruhestand und Standpunkte können, solange wir leben, immer nur ein Zwischenzustand sein. Sie wollen Ausgangspunkte für ein nächstes Wegstück sein.
Das Wort „... und glaube an das Evangelium“ bei der Austeilung des Aschekreuzes am Aschermittwoch lädt im Sinn der hier aufgezeigten Perspektive ein, uns wieder neu und mehr und mehr auf die Botschaft des Evangeliums zuzubewegen, um „evangelischer“ - sprich: Evangeliums-gemäßer - zu werden. Es ist Einladung und Mahnung, die „Behäbigkeit“ eines „gestandenen“ Christseins zugunsten einer neuen Lern-Sehnsucht in der „Schule des Herrn“ (RB Prolog 45) aufzugeben.
Am Ende seiner Regel schreibt der heilige Benedikt, dass er mit all seinen Weisungen und in all ihrer Befolgung erst einen Anfang des Weges zu Gott sieht (RB 73). Wenn wir glaubten, als gute, - ja, perfekte Mönche das „Ende der Fahnenstange“ erreicht zu haben, um von dort direkt in den Himmel emporschweben zu können, dann wäre das der Abschied vom Christenweg. Es wäre traurig. Es wäre das Ende.
Abt Albert Altenähr OSB
2005-01-11
Bild: Janet Brooks Gerloff, Elija