Ponte S. Angelo und Engelsburg: Ein römischer Kreuzweg
Ich unterstelle einmal: die wenigsten Rombesucher nehmen das Ensemble der Engelsburg und der Tiber-Brücke, die zu ihr hinführt als einen Kreuzweg wahr, wie er in unseren katholischen Kirchen gang und gäbe ist. Dass Burg und Brücke in einer Zusammenschau zu sehen sind, ist wohl deutlich, – der Engel oben auf der Burg und die Engelfiguren auf der Brücke lassen kaum eine andere Deutung zu, aber sind die Engelfiguren der Tiber-Brücke mehr als der künstlerische Reflex Berninis auf den krönenden Engel auf der Burg?
Meine Studienjahre in Rom und viele Besuche der Ewigen Stadt danach haben mir immer wieder die Schönheit des Ensembles von Burg und Brücke bewusst gemacht, aber erst der „meditative“ mehrmonatige Aufenthalt 2008 in Rom, haben in mir den „Klick“ ausgelöst: „Das ist ein barock gestalteter Kreuzweg! Brücke und Burg kann man ‚meditieren’! Man kann sie ‚beten’!“
Zehn Engel begleiten den Rom-Besucher über die Brücke. Bernini hat sie geschaffen. Und der Name „Bernini“ lässt die Gedanken voll Bewunderung erstarren, so dass man fast nichts mehr sieht als eben „Bernini“.
Jeder Engel trägt ein Leidenswerkzeug. Je weiter man auf die Engelsburg zugeht, desto weiter schreitet man auf dem Kreuzweg Jesu voran. Es ist eine Wanderung vom Urteil des Pilatus bis zum Lanzenstoß des Soldaten in die Seite des Gekreuzigten.
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{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_01.jpg|Geißel{/vsig_c}
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{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_03.jpg|Dornenkrone{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_04.jpg|Schweißtuch{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_05.jpg|Rock, Würfel{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_06.jpg|Kreuznägel{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_07.jpg|Kreuztitel „INRI“{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_08.jpg|Kreuz{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_09.jpg|Essigschwamm{/vsig_c}
{vsig_c}0|roemischer-kreuzweg_10.jpg|Lanze{/vsig_c}
… und dann steht der meditierende Wanderer vor der Engelsburg. Sie ist das Mausoleum für den Kaiser Hadrian. Das Mausoleum ist leer. Der Leichnam des Kaisers ist nicht mehr da. Die Burg ist ein leeres Grab, … das Grab eines zwar heidnischen Kaisers, - … ist es aber nicht nachvollziehbar, dass barocke Theologen und Künstler mit einem Sinn für das Theatrum und alle möglichen Metamorphosen sich damit leicht taten, dieses heidnische leere Grab zu „taufen“, um es zum Grab Christi hinüberzudeuten?
Der Engel, der nach der Erzählung einer Vision Papst Gregors des Großen mit großem Gestus das Schwert in die Scheide steckt und so das Ende einer Pestepidemie ankündigt, - … kann er in diesem berninisch-barocken Szenario nicht der Engelbote am leeren Grab des Ölberggartens sein, der von der Vollendung des Erlösungswerkes kündet? Der Tod hat verloren, das Leben gewonnen.
Wenn ich künftig über den Ponte S. Angelo gehe, werde ich es wohl auch jetzt kaum in tief betender Versunkenheit tun. Aber mein Wissen um die Gebetsdimension von Brücke und Burg lässt mich mehr sehen als zuvor. … und vielleicht lehnt sich Bernini auf einer Himmelswolke zufrieden zurück und zwinkert dem Herrgott zu: „Da hat unter den vielen blinden Touristen einer ein offenes Auge gehabt.“
P. Albert Altenähr OSB
2009-04-04