Einen Krümel Gott gib uns heute
Reich ist der Tisch gedeckt.
Es reicht das Wort vom Brot,
um uns eine Festtafel ins Auge zu malen.
Was mag da alles auf dem Tisch stehen?
Ein mittelalterliche Fenster vom Abendmahl
in der Wiesenkirche in Soest (um 1500)
präsentiert Schweinskopf und Schinken,
solides Roggenbrot, Bier und auch den Schnaps.
Es fehlt an nichts – ein westfälisches Festmahl1.
Die Kirche von heute
ist stolz auf Tradition und Kunst,
Lehrgebäude und ethische Ideale,
Programme und Prozesse -
nach dem Motto „Morgen zu dir“.
Und trotz aller Skandale
und ungelösten Fragen
läuten auch heute
stolz und hochgemut
in fetter Gläubigkeit
der „dicke Pitter“ in Köln (1923)2
und - klangschöner - die „Gloriosa“-Glocke
des Erfurter Doms (1497)3.
Die Frau aus der Fremde
wischt das ganze Prachtmenu vom Tisch.
Sie fragt nur nach einem Brotkrumen.
Ein Bissen, ja ein Bisschen Gott -
das reicht.
Mehr will, - mehr braucht sie nicht.
Sie weiß, darin ist das ganze Heil.
Die Frau war eine Lehrmeisterin Jesu,
die die Kraft der kleinen Zuwendung glaubte und weckte.
Sie kann unsere großen Gottforderungen zurechtstutzen.
Sie ruft dazu auf, die Brotkrumen zu würdigen.
Herr, schenke heute einen Krümel Gott.
Er ist Brot für den Tag.
Albert Altenähr
Predigt, 2020-08-16
3https://de.wikipedia.org/wiki/Gloriosa_(Erfurter_Dom)