29. Sonntag im Jahreskreis C (Exodus 17,8-13 und Lukasevangelium 18,1-8)
Ein Gebetsnetz für das Leben
Exodus 17,8-13: In jenen Tagen kam Amalek und suchte in Refidim den Kampf mit Israel. Da sagte Mose zu Josua: Wähl uns Männer aus, und zieh in den Kampf gegen Amalek! Ich selbst werde mich morgen auf den Gipfel des Hügels stellen und den Gottesstab mitnehmen. Josua tat, was ihm Mose aufgetragen hatte, und kämpfte gegen Amalek, während Mose, Aaron und Hur auf den Gipfel des Hügels stiegen. Solange Mose seine Hand erhoben hielt, war Israel stärker; sooft er aber die Hand sinken ließ, war Amalek stärker. Als dem Mose die Hände schwer wurden, holten sie einen Steinbrocken, schoben ihn unter Mose, und er setzte sich darauf. Aaron und Hur stützten seine Arme, der eine rechts, der andere links, so dass seine Hände erhoben blieben, bis die Sonne unterging. So besiegte Josua mit scharfem Schwert Amalek und sein Heer.
Lukas 18, 1-8: In jener Zeit sagte Jesus ihnen durch ein Gleichnis, dass sie allezeit beten und darin nicht nachlassen sollten: In einer Stadt lebte ein Richter, der Gott nicht fürchtete und auf keinen Menschen Rücksicht nahm. In der gleichen Stadt lebte auch eine Witwe, die immer wieder zu ihm kam und sagte: Verschaff mir Recht gegen meinen Feind! Lange wollte er nichts davon wissen. Dann aber sagte er sich: Ich fürchte zwar Gott nicht und nehme auch auf keinen Menschen Rücksicht; trotzdem will ich dieser Witwe zu ihrem Recht verhelfen, denn sie lässt mich nicht in Ruhe. Sonst kommt sie am Ende noch und schlägt mich ins Gesicht. Und der Herr fügte hinzu: Bedenkt, was der ungerechte Richter sagt. Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern? Ich sage euch: Er wird ihnen unverzüglich ihr Recht verschaffen. Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, auf der Erde (noch) Glauben vorfinden?
Im Evangelium lädt Jesus ein und mahnt dazu, ohne Unterlass zu beten. Er illustriert das an dem drastisch aufdringlichen Beispiel der Witwe, die mit ihrer Bitte einem Richter so auf die Nerven geht, dass er ihr schließlich ihr Recht gewährt, um seine Ruhe zu bekommen. Jesus scheint sagen zu wollen: einem Gebetssturm wird Gott sich nicht verwehren. Euer Beten sollte nicht zahm und sanft sein. Lasst es Ausdruck stürmischen Begehrens und stürmischer Liebe sein. Lasst es nicht nur kurz aufflackern hier und dort, sondern betet in kraftvoller Dauer.
Ich höre die Botschaft und bin von diesem Idealbild des Betens hingerissen. Ja, so sollte Beten sein!
Auf der anderen Seite erlebe ich mich aber durch und durch als Normalmenschen und Normalchristen, der wohl für ein Ideal schwärmt, aber immer wieder auch am Ideal scheitert. Ich möchte ein hellwacher Christ sein, aber wie oft bin ich müde, - auch müde beim Beten und nicht selten auch zu müde zum Beten. Auch als Mönch (und auch als Abt) geht es mir nicht anders. Auch ich bin ein Normalmensch.
Die Erzählung von Mose, der für sein Volk betet und von seinen Freunden gestützt wird, ist mir hier eine Hilfe. Das Volk Israel ist in das Kriegsgetümmel der Schlacht gegen seine Feinde verwickelt. Mose nimmt nicht am Kampf teil. Er ist auf den Berg gestiegen und betet. Die Erzählung sagt mir zweierlei. Wenn ich nicht beten kann, weil zu viel auf mich einstürmt, dann gibt es andere, die beten. Und solange Mose die Hände zum Gebet erhoben hat, ist Israel stark. Mir selbst ist es wichtig geworden, dass andere Menschen für mich beten. Ich bin überzeugt, dass ich meinen Weg – wenigstens so einigermaßen – sicher gehen konnte, habe ich dem Gebet anderer Menschen zu verdanken. Es spornt mich an, dieses Geschenk des Gebets, das mir zuteil wurde und wird, meinerseits auch weiterzuschenken.
Dann ist in der Geschichte des betenden Mose aber auch sehr tröstlich, dass auch ihm die Arme mehr und mehr und immer wieder müde werden. Da springen ihm seine Aaron und Hur zur Seite. Sie stützen seine Arme, - sie stützen ihn im Gebet. Der betende Mose braucht die beiden. Als einsamer Beter wäre Mose überfordert gewesen. Unsere Geschichte sagt nicht, dass Aaron und Hur selbst gebetet hätten. Sie haben Mose „nur“ gestützt, aber war diese Gebetsstütze nicht schon Teil des Gebetes des Mose?
Die alttestamentliche Erzählung führt vor Augen, wie die Wirklichkeit der Welt vernetzt werden kann und in dieser Vernetzung in Gott geborgen ist. Die einen kämpfen, der andere betet, die dritten stützen den Beter – und Israel geht als Sieger aus dem Kampf hervor.
Als Benediktiner ist mir die Gebetserzählung über Mose besonders lieb. Papst Gregor der Große berichtet vom heiligen Benedikt, dass er sich zu seinem Sterben in das Oratorium, die Kapelle seines Klosters, bringen ließ und dort, gestützt auf die Arme seiner Mönche und mit zum Gebet erhobenen Händen, gestorben ist. Benedikt wird hier wie Mose als Beter auf dem Berg dargestellt. Er hat seinen letzten Lebenskampf zu bestehen und er steht ihn mit Hilfe seiner Brüder durch. Ich glaube, seinen Brüdern damals war sehr deutlich, dass dieses letzte Beten ihres Vaters sein großes Vermächtnis für sie selbst war. Benedikts Gebet machte sie stark.
Mose und Benedikt locken, ein Gebetsnetz für das Leben zu knüpfen und an seine Wirkmacht zu glauben. Jesus predigt ein stürmisches Gebet. Gebet macht stark, - vor allem wenn es vernetzt ist. Ich möchte ein Aaron oder Hur für Mose sein. Immer wieder bin ich auch ein müder Mose, der seinen Aaron und Hur nötig hat. Wer auch immer wir in diesem Gebetsnetz sind, ein jeder von uns kann dazu beitragen, dass das Volk Gottes stark ist und bleibt.
Albert Altenähr OSB
2004-10-07
Für die Kirchenzeitung Aachen.