Pfingsten 2004
Sturmgeist Heiliger Geist
Den Heiligen Geist sich in Gestalt einer Taube vorzustellen, vermittelt ein recht friedliches Bild. Als Symboltier ist die Taube in den Religionen um das alte Israel herum der Göttin der Liebe, der Astarte, beigegeben. In Gestalt einer Taube wird der Heilige Geist uns bei der Taufe Jesu vor Augen gestellt. Der liebende Vater gießt seine Liebe bei der Jordantaufe über Jesus aus. Die Geisttaube ist dann auch der im Christentum und in der christlichen Kunst das charakteristische Symbol für den Heiligen Geist geworden
Als Gottes guten, tröstenden und uns beistehenden Geist erbitten wir Gottes Heiligen Geist immer wieder und heißen ihn hochwillkommen. Er ist als der von Jesus versprochene „andere Beistand“ der ersehnte Begleiter durch die Zeit, bis der erhöhte Herr am Ende der Zeit auf den Wolken des Himmels neu erscheinen wird. Ohne diesen Geist wissen wir uns verloren in der Zeit. Er ist als der Gottes Zeitengeist unsere Hoffnung und unser Bollwerk gegen den Zeitgeist.
All diese Bilder und Denkmodelle vom Heiligen Geist spiegeln aber nicht das Geschehen vom Pfingstfest in Jerusalem wieder. Da geht es beunruhigend dynamisch und aufrüttelnd zu.
Das Bild vom Heiligen Geist, der sich in der Gestalt von Feuerzungen über die verschüchterte Gemeinde von Jerusalem ergießt, ist nicht gerade beruhigend. Schwefel und Feuer hatte Gott über Sodom und Gomorrah regnen lassen. Glühende Kohlen beten die Psalmendichter auf ihre Feinde herab. Und immer wieder wird im Alten Testament gesagt, dass Gott wie ein verzehrendes Feuer ist. Nichts bleibt so, wie es war, wenn das Feuer nach ihm greift. Am Feuer verbrennt man sich nicht nur die Finger. Der Gott, der ein verzehrendes Feuer ist, greift nach dem ganzen Menschen. Das ist beängstigend und das darf uns auch ruhig Angst machen. Dieser Gott geht aufs Ganze.
Die pfingstliche Geistsendung ist nach dem Bericht der Apostelgeschichte außerdem verbunden mit gewaltigem Brausen, wie wenn ein Sturm daherfährt. Auch dieses Sturmphänomen dürfte alles andere als angenehm gedeutet werden müssen. Aus den Evangelien sind uns die beängstigenden Stürme auf dem See Genesaret geläufig. Im Alten Testament erfahren wir, dass der Sinai bei der Übergabe der Gesetzestafeln an Mose in Rauch, Feuer und Getöse erbebte. Wundert es uns, dass das Volk Israel zitterte?
Soll, - darf, - kann ich den einen gegen den anderen Geist ausspielen? Vielleicht braucht der eine von uns mehr den Geist, der ihm in seiner abgrundtiefen Angst Halt, Ermutigung und Trost schenkt. Vielleicht braucht der andere mehr den Geist, der ihn aus Lethargie, Müdigkeit und Glaubensgemütlichkeit aufrüttelt. Vielleicht brauche ich heute das eine und morgen das andere.
Was brauche ich heute? Was glaube ich, dass die Kirche – so wie sich mir in meiner kleinen Perspektive und Erfahrungswelt darstellt – heute braucht?
Ich brauche immer wieder ein neues Pfingsten. Ich wünsche mir selbst, - meiner Mönchsgemeinschaft, - den Gottesdienst- und Pfarrgemeinden, die ich erlebe, ein ur-kirchliches Pfingsten des Feuers und des Sturmes. Ich glaube an einen Gott, der nicht langweilig ist und darum weder Gelangweilte noch Langeweiler als Zeitgefährten liebt. Ich glaube an den Funkenflug und den Sturm Seiner Liebe.
Sturmgeist Schöpfer, komm!
Durchwirbel alle Friedhofsruh,
Blas Feuer aus dem Funkenrest,
Brennen lass den Totenwald.
Sturmgeist Schöpfer, komm!
Füll des Lebens Sehnsuchtssegel,
Treib voran den Kirchenkahn,
Locke Weltentdecker an.
Sturmgeist Schöpfer, komm!
Mute deine Zukunft zu,
Schenke Gottes Reich der Welt,
und vergiss die Freude nicht.
Sturmgeist Schöpfer, komm!
Verwandle uns durch dich,
Beginn die neue Stadt mit uns,
Gib uns Atem für den Weg.
Sturmgeist Schöpfer, komm!
Sturmbedürftig ist die Welt,
geistbedürftig ist der Mensch,
schöpfungsdurstig unsre Zeit.
Abt Albert Altenähr OSB
2004-05-17