Eine weihnachtliche Meditation
Gesucht: der Mensch
Auf der Homepage der Zweimonatsschrift der Oblaten der Benediktinerabtei Collegeville, USA („The Oblate“), fand ich kurz vor Weihnachten das Gedicht „Yahweh’s Quest“ von P. Kilian McDonnell aus Collegeville. Die Zeichnung über dem Text – eine Anbetung der Könige – ließ keinen Zweifel, dass es ein Weihnachtsgedicht sein sollte. Als solches las und übersetzte ich es.
After the beginning
Yahweh went in search of the man,
shouting the question into the garden:
"Adam, where are you?....Adam!"After the long chase
through pillars of fire,
prophets and kings, Yahweh
found Adam in the manager.Nachdem alles so gut begonnen hatte,
ging Jahwe den Menschen suchen.
Er rief die Frage in den Garten hinein:
„Adam, wo bist du? ... Adam!“Nach langem Suchen
durch Säulen von Feuer,
Propheten und Königen fand Jahwe
Adam in der Krippe.
Die Schöpfungsgeschichte der Bibel erzählt uns, dass Jahwe alles gut, - ja, sehr gut gemacht hat. Er ist mit sich und seinem Werk zufrieden. Er sucht den Menschen, um sich mit ihm an der guten Schöpfung zu freuen, ... – so deute ich Jahwes Suche nach Adam und Eva.
Das Gedicht verlässt die Erzählung der Bibel und das Paradies und schickt Jahwe auf eine lange Suchreise, Adam zu finden. Die Feuerzeichen im Dornbusch, beim Zug durch die nächtlichen Wüsten, bei der Gesetzgebung am Sinai und der Offenbarung vor Elija treten vor unsere Augen. Die Geschichte des Volkes und seiner Könige und Propheten zerrinnt, ohne dass Jahwe Adam findet.
Schließlich: Adam in der Krippe ... Der Gedanke hat etwas! Jahwe sucht in seiner Schöpfung, die durch die erste Schuld infiziert ist, den „alten, guten Adam“ des Anfangs. Er findet ihn nicht, - und so erfindet er den „neuen Adam“, - sein Wort, das Fleisch wird, - Jesus, den neugeborenen Adam einer neuen Menschheit. In ihm dürfen auch wir uns und darf ich mich als „neuer Adam“ und „neuer Mensch“ glauben. Hinein genommen in Christi Tod und Auferstehung, wie wir es von Ostern her glaubend bekennen, bin ich auch hinein genommen in Christi Geburt.
Jahwe findet Adam in der Krippe ... Der Gedanke hat etwas! Er hat etwas Weihnachtliches! Das Gedicht stärkte mich in den letzten Tagen vor Weihnachten. Nach dem Allerlei des ganz und gar Weltlichen und des angestrengt Vorweihnachtlichen der letzten Wochen waren das Gedicht und meine noch ungeordneten Gedanken dazu etwas Anderes, dem nachzugehen lohnte. Es war etwas, das ich bewahren und im Herzen bewegen konnte.
Dann ging ich mit dem englischen Gedichttext und meiner Übersetzung zu einem Mitbruder. Ich wollte ihn an meinem Fund und an meiner Freude teilnehmen lassen und einfach auch meine Übersetzung überprüfen. Ich gab ihm und einem zufällig dabei stehenden Gast den englischen Text und las ihnen meine Übersetzung vor. Kaum war ich mit dem Vorlesen zu Ende, gab es lebhaften Protest: „Das letzte Wort des Gedichtes ist nicht ‚manger‘ = ‚Krippe‘, sondern ‚manager‘ = ... !“ Verdutzt stand ich da. Im weihnachtlichen Vorverständnis des Advents, - der Krippenabbildung vor dem Gedicht, - meiner Erwartung hatte ich nicht gesehen, was da schwarz auf weiß geschrieben stand, sondern was ich zu lesen erwartete.
Der amerikanische Mitbruder hatte mich mit seinem Wortspiel in die Irre geführt – und doch auch wiederum nicht. Er führt mich ins weitere Nachsinnen hinein. Was meint das: „Jahwe fand Adam ‚in the manager‘?“
Zunächst: Ich bin gar nicht weihnachtlich-heimelig angesprochen. Die süße Weihnachtsfalle (manger / Krippe) klappte ganz schön heftig zu, als ich korrigiert wurde und ehrlicherweise „manager“ lesen musste, wie es da stand.
Ich meine, jetzt zu spüren, dass auch in diesem Gedicht Jahwe Adam genau dort findet, wo er ihn schon in der biblischen Paradieserzählung gefunden hat, nämlich in einem Versteck. Der Adam damals versteckte sich, weil er sich als nackt erkannte und schämte. Verstecke auch ich mich hinter so vielem scheinbar Wichtigem, weil ich „nackt“ bin? Geschäftig eile ich hin, - eile ich her. Dieses muss erledigt, - jenes getan werden, sonst geht es nicht weiter, - nicht vorwärts. Der Terminkalender füllt sich mehr und mehr, ... und ich laufe leer. „Zeit“ ist ein Fremdwort geworden. Ich habe sie nicht; ich nehme sie mir nicht. Für allerlei Zeitvertreib habe und finde ich allerdings immer wieder Zeit, ... seltsam!
Jahwe fand nach langer Suche Adam, den Macher. Findet er Adam, den Menschen, wenn er mich sucht? Er muss ziemlich enttäuscht gewesen sein, als er den Menschen suchte und den „manager“ fand. Weihnachten steht Jahwe vor der Krippe und freut sich mit den Hirten an dem neugeborenen Menschen. Er freut sich an Adam, der aus seinem wie auch immer gearteten Versteck herauskommt und so Geburt an sich heran lässt.
Das Weihnachtsgedicht von P. Kilian ist zwar ein ganz anderes als das, das ich beim ersten Lesen wahrnahm, aber eigentlich ist es so, wie ich es jetzt lese, viel besser. Es ist nicht mehr „krippig-fromm“, sondern „kratzig-ehrlich.“ Es bietet keinen frommen Ruhestand an. Es ist Anstoß zu einer neuen Geburt, um von ihr her zu wachsen und ein erwachsener Christ und Mensch zu werden.
Abt Albert Altenähr OSB
2001-12-22