Heute bei dir - I
Zum Dialogprozess 2018 - ... im Bistum Aachen
Ich frage einige Menschen, Normal-Christen, solche und solche Kirchgänger: „Klickt bei Ihnen etwas bei den drei Worten ‚Heute bei dir’?“ Ich frage weiter „Wohin gehen ihre Gedanken, wenn Sie diese Worte auf einem Plakat sehen würden?“
Bei keinem klickte es und bei der zweiten Frage kamen Antworten wie „Fragen hätte der ja schon mal können, ob’s mir recht ist“ oder „Das ist die Frage der Freundin nach einem Kaffeeplausch miteinander.“ Diese zweiten Antworten gehen schon mal in die richtige Richtung … Setzen wir uns auf ihre Spur.
Heute bei dir ist die große Überschrift, die der Bischof von Aachen, Helmut Dieser, über den Dialogprozess setzt, den er für unser Bistum initiiert hat. Er will mit diesem Prozess ein Leitbild für die Diözese und ihre Zukunft entwickeln. Natürlich ist es zu früh, um schon irgendetwas zu sagen, was da tatsächlich angestoßen wird, geschweige denn, was dabei herauskommt, und schon gar nicht, was davon umgesetzt werden kann und wird.
Das Wort Heute bei dir ist nicht profillos, nicht nichts-sagend. Es ist kein unbeschriebenes Blatt, keine Leerformel, die sich, ohne etwas auszusagen, gut auf einem Plakat macht. Der Dialog unter diesem Wort ist kein Alibi-Mäntelchen, hinter dem sich eine schon längst erstellte weitere Strukturreform der Kirche von Aachen verstecken könnte.
Heute bei dir ist eine biblische Herausforderung.
Ja, es ist eine biblische Herausforderung! Die drei Wörter sind aus der bekannten Erzählung von der Begegnung Jesu mit dem Zöllner Zachäus herausgefiltert. Der kleine Zachäus ist auf den Baum geklettert, um einen Blick auf den berühmten Meister zu erhaschen. Ausgerechnet ihn spricht der Rabbi an: „Zachäus komm schnell herunter! Denn ich muss heute in deinem Haus zu Gast sein“ (Lukas 19,5). Heute bei dir ist eine prägnante Einkürzung dieses Satzes aus dem Lukas-Evangeliums.
Eine Herausforderung ist das Heute bei dir ganz sicher für Bischof Dieser, der uns dieses Wort präsentiert. Jesus steht bei ihm auf der Matte und stellt ihm die Frage, wie er sein Haus, das Bistum, bestellen wird. Und konkret auf den Dialogprozess bezogen, für den das Heute bei dir Leitwort sein will, ist es die ständige Hintergrundfrage: geht es dir wirklich um mehr als ein weltliches, institutionelles Auf-stellen des Bistums für die Zukunft? Geht es dir wirklich um mich, Jesus Christus? … oder doch nur um Struk-turen, Finanzen und das Verwalten des wachsenden Priestermangels?
Aber … nicht weniger herausfordernd ist das Heute bei dir für mich / für uns, die wir uns in den Dialogprozess einbringen wollen und einbringen. Wie festgefahren bin ich in dem „guten Alten“ von gestern, das unangetastet ins Morgen hinübergerettet werden sollte? Kann ich über den eigenen Tellerrand hinausschauen? Ist der lokale Kirchturm meine Horizontgrenze? … und: geht es mir wirklich um Jesus Christus, wenn ich mich für dieses oder jenes stark mache?
Kurz - mit einer anderen biblischen Geschichte -, die beiden Schwestern Martha und Maria, die eine sitzend zu Jesu Füßen und die andere in der Fürsorge für den Gast (Lukas 10,38-42, par.), müssen ins Gespräch miteinander kommen. Jede für sich allein geht in die Irre. Beide Schwestern sind in mir selbst präsent; sie können als zwei Seiten meines Ichs, als die beiden Seelen in meiner Brust gedeutet werden. Sie werden auch im Dialogprozess unseres Bistums anwesend sein. Beide müssen zu Wort kommen dürfen. Beide müssen vor allem mit Jesus selbst ins Gespräch kommen. Das erst wird zu einem fruchtbaren Gespräch der beiden Schwestern miteinander führen.
Albert Altenähr
2018-02-19
... es sind in lockerer Folge weitere Gedanken zum Prozess Heute bei dir angedacht.
Foto: Egli-Figuren, Zachäus, M.B.