... vor dir zu stehen und dir zu dienen
eine Reflexion über einen Satz des 2. Hochgebets
Im zweiten eucharistischen Hochgebet ist mir ein Satz im Lauf der Jahre besonders lieb und wichtig geworden. Im ersten Gebet nach der Wandlung heißt es dort: "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen." Dieser Satz ist mir ein Schlüsselwort für mein Mönchsein und mein Liturgieverständnis geworden. "... vor Gott stehen und ihm dienen".
Der biblische Hintergrund der Aussage
Das Wort lässt eine Passage aus dem alttestamentlichen Buch Deuteronomium aufklingen. Darin werden Weisungen für den Auftrag, die Rechte und die Sonderstellung des Stammes Levi unter den elf Bruderstämmen des Volkes gegeben.
Dtn18,2 Der Stamm Levi soll inmitten seiner Brüder leben, aber keinen Erbbesitz haben. Der Herr selbst ist sein Erbbesitz, wie er es ihm zugesagt hat.
3 Und das ist das Recht, das die Priester gegenüber dem Volk haben, gegenüber denen, die ein Schlachtopfertier schlachten, sei es ein Stier oder ein Lamm: Man soll dem Priester den Bug, die Kinnbacken und den Labmagen geben.
4 Du sollst ihm den ersten Ertrag von Korn, Wein und Öl und den ersten Ertrag der Schafschur geben.
5 Denn der Herr, dein Gott, hat den Stamm Levi unter allen deinen Stämmen dazu ausgewählt, daß er im Namen des Herrn dasteht und Dienst tut - Levi und seine Nachkommen, ihr Leben lang.
6 Wenn ein Levit aus einem deiner Stadtbereiche irgendwo in Israel, in dem er als Fremder gewohnt hat, zu der Stätte kommt, die der Herr ausgewählt hat, und zwar, wann immer er möchte,
7 und wenn er dann wie alle seine levitischen Brüder, die dort vor dem Herrn stehen, im Namen des Herrn, seines Gottes, Dienst tut,
8 sollen alle die gleiche Zuteilung erhalten, ohne daß man berücksichtigt, wie groß sein väterliches Vermögen ist.
Mir sticht ins Auge, dass der Stamm Levi keinen Land-Erbbesitz hat, sondern allein den Herrn als seinen Erbbesitz erkennen soll. Heißt das vielleicht auch, dass er sich aus dem Gerangel der Menschen um Gewinn, Macht, Streitigkeiten und den offensichtlich unausrottbaren Positionskämpfen heraushalten soll? Er lebt eine andere Dimension, die Dimension Jahwes. Diese Dimension soll er im Volk Israel wachhalten.
Levi ist als landloser Stamm buchstäblich irgendwie arm dran. Er hat nichts, was in der Welt zählt. Da steuert das Buch Deuteronomium dann aber doch gegen. Es gibt dem Volk eine Wert-Schätzung in der Welt-Währung von Abgaben an die Hand. Gott-Gehörigkeit wird umgerechnet in die Dinge, die dem Hirten und Ackerbauer Lebensunterhalt geben. So ist das Auskommen des Stammes Levi gesichert.
Vom Erbbesitz Gott und den Abgabenrechten des Stammes Levi ist in dem von mir wertgeschätzten Satz des eucharistischen Hochgebets nicht die Rede. Das Hochgebet nimmt nur das dritte Element der alttestamentlichen Vorlage auf, die Aufgabe, zu dem der Stamm bestimmt ist, seine Berufung, die sein Beruf sein soll: vor dem Herrn dazustehen bzw. zu stehen und Dienst zu tun bzw. zu dienen. Dass damit sicher zunächst vor allem der Dienst am Altar angesprochen ist, dürfte unbestreitbar sein. Eine "klerikale" Eingrenzung / Einengung (... und entsprechende Ausgrenzung der Nicht-Leviten) ist also in den Blick zu nehmen. Die Frage ist aber, ob diese Eingrenzung absolut und zwingend sein muss.
Ein Vorwort zum Wort "Dienst/dienen"
Möglicherweise eher subjektiv hat dabei das Verb dienen für mich einen stärkeren negativen Beigeschmack als das Substantiv Dienst. Das Substantiv taucht inzwischen in so vielen Wortverbindungen auf, dass es fast schon keinen besonderen Geschmack - auch keinen Bei-Geschmack - mehr hat. Es ist oft nur noch eine Service-Leistung. Aber "dienen" ..., als Ausdruck einer zwischenmenschlichen Interaktivität ..., einer Beziehung zwischen mir und einem anderen Menschen ...?
Der Priester und die Gemeinde
Wenn ich den Satz "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen" mit und aus seinem alttestamentlichen Zusammenhang lese, dann höre ich da zunächst einmal eine Eingrenzung des Wir auf die Gruppe und den Stand der Priester und Leviten. "Wir Priester ... / Ich, der zelebrierende Priester dieser Feier, danke dir, dass du mich berufen hast, ..." Ich vermute, dass in der Zeit der Liturgiereform, als dieses Hochgebet erarbeitet und eingeführt wurde, diese Eingrenzung auf den/die Priester durchaus bewusst oder unbewusst präsent und vielleicht sogar angezielt und gemeint war. Der laute Vortrag des Gebetes sprengt diese Eingrenzung allerdings auf. Das laut gesprochene Wir bezieht nahezu automatisch die hörende Gemeinde in die Gruppe der Wir hinein. "Wir, die Gottesdienst feiernde Gemeinde, danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen dir zu dienen."
... dir ...
Ich weiß, dass das eucharistische Hochgebet sich durchgängig an Gott Vater richtet. Er - nicht der Sohn, nicht der Heilige Geist - ist in ihm der Angesprochene. Ob ich mir dessen immer so bewusst bin, ist eine andere Sache. Gott als Adressat macht deutlich, dass Liturgie eine zutiefst vertikale Ausrichtung hat. Sie ist nicht horizontal orientiert.
Die vertikale Dimension der Liturgie kann anregen, darüber nachzudenken, was wir eigentlich meinen, wenn wir uns immer wieder fragen, ob unsere Liturgien denn bei den Leuten wohl ankommen. So verständlich und auch berechtigt die Frage ist, so sehr kann sie sich in den Vordergrund drängen, so dass Gott als Adressat der Liturgie manchmal hinten runter fällt.
Der Spannbogen von Breitenwirkung und Tiefenwirkung, von Horizontale und Vertikale, von einem bejubelten Event bis zum Advent des Herrn verlangt immer wieder eine genaue Berechnung der Statik.
... stehen ...
Wir danken dir; du hast uns berufen ... Ja, wozu hat er uns berufen? ... vor dir zu stehen. ... ok, aber was ist das? Ist das nicht etwas wenig?
Da ist kein großes Handeln, keine auffällige action, kein Handlungskonzept, Programm eigentlich nichts wirklich Griffiges angemahnt. Kein ethischer Impuls, kein Welterlösungs- oder nur Weltverbesserungsprogramm. Einfach nur: ... vor dir stehen.
Die Zurücknahme aller Tätigkeit(en) auf ein einfaches Stehen lässt fragen, ob unsere Fragen nach Tätigkeitsprofilen nicht vielleicht zu schnell den Urgrund verlassen und sich in Eintages-Großartigkeiten zu begründen suchen. Sobald sie formuliert sind, sind sie schon von gestern.
Meine Assoziation führt mir das Bild eines königlichen Thronsaals vor Augen. Um den König haben sich die verschiedensten Offizialen gruppiert. Wir sind berufen, der Hofstaat des Königs zu sein. Mit uns will der König Staat machen. Kann er mit uns Staat machen?
Biblisch kommt mir die Vision der Geheimen Offenbarung über den himmlischen Gottessaal in den Sinn:
Offb 4,1Danach sah ich: Eine Tür war geöffnet am Himmel; und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte und die wie eine Posaune klang, sagte: Komm herauf, und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muß.
2 Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer,
3 der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah.
4 Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt.
5 Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes.
6 Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten.
7 Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.
8 Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war, und er ist, und er kommt.
9 Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen,
10 dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen:
11 Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
... dienen ...
Mit den Verb dienen wird das tätigkeitsverhaltene Stehen scheinbar dann doch auf Aktivität hin ent-fesselt. Doch ich zögere, es so zu verstehen, dass wir als gute Christen jetzt eifrig und munter drauf los handeln können und sollen.
Ich lese das Dienen zunächst einmal als Interpretation des gerade genannten Stehens. Vor Gott stehen ist der erste und grundlegende Dienst.
Dieser Dienst ist Dienst "für dich = für Gott", Gottes-dienst. Es fällt mir auf, dass hier nicht der Mensch, die Schwestern und Brüder in den Blick genommen werden. Es wird nicht gesagt: "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und den Schwestern und Brüdern zu dienen." Dass das hier so nicht gesagt wird, sollte man einfach einmal aushalten und dann auch festhalten, bevor und wenn man zur Tagesordnung der brüderlichen Dienste, der Diakonie übergeht.
Mir ist dieser selbstverständliche Hinweis wichtig, weil ich selbst ihn leicht und immer wieder für so selbstverständlich halte, dass ich ihn kaum für der Rede wert halte. Was aber der Rede nicht wert ist, ist für den Tod programmiert.
Der geistliche Einstieg z.B. in Sitzungen mit einer Segensformel oder einer kurzen meditativen Einheit will dem zwar gegensteuern, aber ist er wirklich für die sich anschließenden Diskussionen über "das Eigentliche" prägend oder bleibt er ein separater Vorspann, der sich nicht weiter auswirkt?
(Anekdotisch steht mir die Sitzung einer Vorbereitungsgruppe für den Katholikentag 1986 vor Augen. In einer heißen Gesprächsphase fragte der Moderator: "Was würde Jesus dazu sagen?" Einer der Kontrahenten fuhr aus der Haut: "Lassen Sie Jesus aus dem Spiel. Es geht hier um Sachfragen." ...)
Ich üb-ersetze das "... dir zu dienen" für mich gerne als "... dir zur Verfügung zu stehen / dir zu Diensten zu sein" oder als "... offen zu sein für deine Fragen an das, was ich jetzt sagen oder tun will." Ich verstehe das Bekenntnis der Dienstbereitschaft für Gott als Ansage einer steten Rückbindung des Tuns an Gott. Es ist auch die Frage an alles Planen, ob ich nicht eventuell meinen eigenen "Vogel" mit dem Heiligen Geist verwechsle. Es geht in diesem Sinn um den Schutz kirchlichen Tuns vor dem Management-Ungeist.
ein Kloster-Siegel ;-)
Ich selbst bin Benediktiner, ... ein Mönch. Unsere Ordenstradition pflegt in hohem Maß die Liturgie. Das Chorgebet, der gesungene Choral, eine gewisse alltägliche Feierlichkeit der Gottesdienste gehören zum Bild, das man sich von uns macht. Das wird von manchen nicht nur positiv, sondern auch kritisch gesehen. Wir sind kein sog. tätiger Orden. Das führt dann auch zu Wünschen oder auch Forderungen, wir sollten uns stärker in die Alltagspastoral der Gemeindeseelsorge einbringen. Diese Fragen sind da. Und wir setzen uns auch damit auseinander und suchen nach Antworten. Auch eine Frage unsererseits kann da eine der vielen möglichen Antworten sein.
Die Frage, die ich ins Nachdenken geben möchte, ist die folgende: Warum ist eigentlich "Kloster" für viele Dinge, die es zu kaufen gibt, ein Qualitätssiegel? Ob Brot, Honig, Käse, Bier, Likör, Wein und was-weiß-ich-noch, ... wenn Sie "Kloster" davor setzen, es verkauft sich besser. Warum eigentlich? Es scheint in "Kloster-" einfach eine Qualität angeboten zu sein, die sogar noch über "Bio" hinausgehen könnte.
Ist vielleicht der Satz des Hochgebetes "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen" so genuin benediktinisch-Kloster, dass er Kirche anders macht und präsentiert, als sie gängig wahrgenommen wird. Wäre Kirche ohne das "Kloster- Vor-dir-stehen" und das "Kloster- Dir-zu-dienen" vielleicht ärmer und seelenloser?
Ich weiß nicht, ob die gängige Alternative entweder Geht-zu-den-Menschen-Pastoral oder Kommt-her-Pastoral wirklich zielführend ist. Ich verstehe uns Klöster als eine Präsenz-Pastoral unter den Menschen. Wenn wir wirklich authentisch vor Gott und auf ihn hin sind, dann hat das Wirkung über den binnenklösterlichen Tellerrand hinaus. Bei Gott sind wir bei den Menschen.
Ob wir Klöster tatsächlich diesem Anspruch genügen, ist eine im Konkreten immer wieder berechtigte Frage. Aber der Anspruch an sich sollte nicht aufgeweicht werden. Eine Kirche ohne den Stachel solchen Anspruchs, eine Kirche ohne den Kloster-Touch - ... für mich nicht nur ein Verlust für die Kirche, sondern schlicht unvorstellbar.
Albert Altenähr
2018-09-10
... vor dir zu stehen und dir zu dienen
eine Reflexion über einen Satz des 2. Hochgebetes
Im zweiten eucharistischen Hochgebet ist mir ein Satz im Lauf der Jahre besonders lieb und wichtig geworden. Im ersten Gebet nach der Wandlung heißt es dort: "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen." Dieser Satz ist mir ein Schlüsselwort für mein Mönchsein und mein Liturgieverständnis geworden. "... vor Gott stehen und ihm dienen".
Der biblische Hintergrund der Aussage
Das Wort lässt eine Passage aus dem alttestamentlichen Buch Deuteronomium aufklingen. Darin werden Weisungen für den Auftrag, die Rechte und die Sonderstellung des Stammes Levi unter den elf Bruderstämmen des Volkes gegeben.
Dtn18,2 Der Stamm Levi soll inmitten seiner Brüder leben, aber keinen Erbbesitz haben. Der Herr selbst ist sein Erbbesitz, wie er es ihm zugesagt hat.
3 Und das ist das Recht, das die Priester gegenüber dem Volk haben, gegenüber denen, die ein Schlachtopfertier schlachten, sei es ein Stier oder ein Lamm: Man soll dem Priester den Bug, die Kinnbacken und den Labmagen geben.
4 Du sollst ihm den ersten Ertrag von Korn, Wein und Öl und den ersten Ertrag der Schafschur geben.
5 Denn der Herr, dein Gott, hat den Stamm Levi unter allen deinen Stämmen dazu ausgewählt, daß er im Namen des Herrn dasteht und Dienst tut - Levi und seine Nachkommen, ihr Leben lang.
6 Wenn ein Levit aus einem deiner Stadtbereiche irgendwo in Israel, in dem er als Fremder gewohnt hat, zu der Stätte kommt, die der Herr ausgewählt hat, und zwar, wann immer er möchte,
7 und wenn er dann wie alle seine levitischen Brüder, die dort vor dem Herrn stehen, im Namen des Herrn, seines Gottes, Dienst tut,
8 sollen alle die gleiche Zuteilung erhalten, ohne daß man berücksichtigt, wie groß sein väterliches Vermögen ist.
Mir sticht ins Auge, dass der Stamm Levi keinen Land-Erbbesitz hat, sondern allein den Herrn als seinen Erbbesitz erkennen soll. Heißt das vielleicht auch, dass er sich aus dem Gerangel der Menschen um Gewinn, Macht, Streitigkeiten und den offensichtlich unausrottbaren Positionskämpfen heraushalten soll? Er lebt eine andere Dimension, die Dimension Jahwes. Diese Dimension soll er im Volk Israel wachhalten.
Levi ist als landloser Stamm buchstäblich irgendwie arm dran. Er hat nichts, was in der Welt zählt. Da steuert das Buch Deuteronomium dann aber doch gegen. Es gibt dem Volk eine Wert-Schätzung in der Welt-Währung von Abgaben an die Hand. Gott-Gehörigkeit wird umgerechnet in die Dinge, die dem Hirten und Ackerbauer Lebensunterhalt geben. So ist das Auskommen des Stammes Levi gesichert.
Vom Erbbesitz Gott und den Abgabenrechten des Stammes Levi ist in dem von mir wertgeschätzten Satz des eucharistischen Hochgebets nicht die Rede. Das Hochgebet nimmt nur das dritte Element der alttestamentlichen Vorlage auf, die Aufgabe, zu dem der Stamm bestimmt ist, seine Berufung, die sein Beruf sein soll: vor dem Herrn dazustehen bzw. zu stehen und Dienst zu tun bzw. zu dienen. Dass damit sicher zunächst vor allem der Dienst am Altar angesprochen ist, dürfte unbestreitbar sein. Eine "klerikale" Eingrenzung / Einengung (... und entsprechende Ausgrenzung der Nicht-Leviten) ist also in den Blick zu nehmen. Die Frage ist aber, ob diese Eingrenzung absolut und zwingend sein muss.
Ein Vorwort zum Wort "Dienst/dienen"
Möglicherweise eher subjektiv hat dabei das Verb dienen für mich einen stärkeren negativen Beigeschmack als das Substantiv Dienst. Das Substantiv taucht inzwischen in so vielen Wortverbindungen auf, dass es fast schon keinen besonderen Geschmack - auch keinen Bei-Geschmack - mehr hat. Es ist oft nur noch eine Service-Leistung. Aber "dienen" ..., als Ausdruck einer zwischenmenschlichen Interaktivität ..., einer Beziehung zwischen mir und einem anderen Menschen ...?
Der Priester und die Gemeinde
Wenn ich den Satz "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen" mit und aus seinem alttestamentlichen Zusammenhang lese, dann höre ich da zunächst einmal eine Eingrenzung des Wir auf die Gruppe und den Stand der Priester und Leviten. "Wir Priester ... / Ich, der zelebrierende Priester dieser Feier, danke dir, dass du mich berufen hast, ..." Ich vermute, dass in der Zeit der Liturgiereform, als dieses Hochgebet erarbeitet und eingeführt wurde, diese Eingrenzung auf den/die Priester durchaus bewusst oder unbewusst präsent und vielleicht sogar angezielt und gemeint war. Der laute Vortrag des Gebetes sprengt diese Eingrenzung allerdings auf. Das laut gesprochene Wir bezieht nahezu automatisch die hörende Gemeinde in die Gruppe der Wir hinein. "Wir, die Gottesdienst feiernde Gemeinde, danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen dir zu dienen."
... dir ...
Ich weiß, dass das eucharistische Hochgebet sich durchgängig an Gott Vater richtet. Er - nicht der Sohn, nicht der Heilige Geist - ist in ihm der Angesprochene. Ob ich mir dessen immer so bewusst bin, ist eine andere Sache. Gott als Adressat macht deutlich, dass Liturgie eine zutiefst vertikale Ausrichtung hat. Sie ist nicht horizontal orientiert.
Die vertikale Dimension der Liturgie kann anregen, darüber nachzudenken, was wir eigentlich meinen, wenn wir uns immer wieder fragen, ob unsere Liturgien denn bei den Leuten wohl ankommen. So verständlich und auch berechtigt die Frage ist, so sehr kann sie sich in den Vordergrund drängen, so dass Gott als Adressat der Liturgie manchmal hinten runter fällt.
Der Spannbogen von Breitenwirkung und Tiefenwirkung, von Horizontale und Vertikale, von einem bejubelten Event bis zum Advent des Herrn verlangt immer wieder eine genaue Berechnung der Statik.
... stehen ...
Wir danken dir; du hast uns berufen ... Ja, wozu hat er uns berufen? ... vor dir zu stehen. ... ok, aber was ist das? Ist das nicht etwas wenig?
Da ist kein großes Handeln, keine auffällige action, kein Handlungskonzept, Programm eigentlich nichts wirklich Griffiges angemahnt. Kein ethischer Impuls, kein Welterlösungs- oder nur Weltverbesserungsprogramm. Einfach nur: ... vor dir stehen.
Die Zurücknahme aller Tätigkeit(en) auf ein einfaches Stehen lässt fragen, ob unsere Fragen nach Tätigkeitsprofilen nicht vielleicht zu schnell den Urgrund verlassen und sich in Eintages-Großartigkeiten zu begründen suchen. Sobald sie formuliert sind, sind sie schon von gestern.
Meine Assoziation führt mir das Bild eines königlichen Thronsaals vor Augen. Um den König haben sich die verschiedensten Offizialen gruppiert. Wir sind berufen, der Hofstaat des Königs zu sein. Mit uns will der König Staat machen. Kann er mit uns Staat machen?
Biblisch kommt mir die Vision der Geheimen Offenbarung über den himmlischen Gottessaal in den Sinn:
Offb 4,1Danach sah ich: Eine Tür war geöffnet am Himmel; und die Stimme, die vorher zu mir gesprochen hatte und die wie eine Posaune klang, sagte: Komm herauf, und ich werde dir zeigen, was dann geschehen muß.
2 Sogleich wurde ich vom Geist ergriffen. Und ich sah: Ein Thron stand im Himmel; auf dem Thron saß einer,
3 der wie ein Jaspis und ein Karneol aussah. Und über dem Thron wölbte sich ein Regenbogen, der wie ein Smaragd aussah.
4 Und rings um den Thron standen vierundzwanzig Throne, und auf den Thronen saßen vierundzwanzig Älteste in weißen Gewändern und mit goldenen Kränzen auf dem Haupt.
5 Von dem Thron gingen Blitze, Stimmen und Donner aus. Und sieben lodernde Fackeln brannten vor dem Thron; das sind die sieben Geister Gottes.
6 Und vor dem Thron war etwas wie ein gläsernes Meer, gleich Kristall. Und in der Mitte, rings um den Thron, waren vier Lebewesen voller Augen, vorn und hinten.
7 Das erste Lebewesen glich einem Löwen, das zweite einem Stier, das dritte sah aus wie ein Mensch, das vierte glich einem fliegenden Adler.
8 Und jedes der vier Lebewesen hatte sechs Flügel, außen und innen voller Augen. Sie ruhen nicht, bei Tag und Nacht, und rufen: Heilig, heilig, heilig ist der Herr, der Gott, der Herrscher über die ganze Schöpfung; er war, und er ist, und er kommt.
9 Und wenn die Lebewesen dem, der auf dem Thron sitzt und in alle Ewigkeit lebt, Herrlichkeit und Ehre und Dank erweisen,
10 dann werfen sich die vierundzwanzig Ältesten vor dem, der auf dem Thron sitzt, nieder und beten ihn an, der in alle Ewigkeit lebt. Und sie legen ihre goldenen Kränze vor seinem Thron nieder und sprechen:
11 Würdig bist du, unser Herr und Gott, Herrlichkeit zu empfangen und Ehre und Macht. Denn du bist es, der die Welt erschaffen hat, durch deinen Willen war sie und wurde sie erschaffen.
... dienen ...
Mit den Verb dienen wird das tätigkeitsverhaltene Stehen scheinbar dann doch auf Aktivität hin ent-fesselt. Doch ich zögere, es so zu verstehen, dass wir als gute Christen jetzt eifrig und munter drauf los handeln können und sollen.
Ich lese das Dienen zunächst einmal als Interpretation des gerade genannten Stehens. Vor Gott stehen ist der erste und grundlegende Dienst.
Dieser Dienst ist Dienst "für dich = für Gott", Gottes-dienst. Es fällt mir auf, dass hier nicht der Mensch, die Schwestern und Brüder in den Blick genommen werden. Es wird nicht gesagt: "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und den Schwestern und Brüdern zu dienen." Dass das hier so nicht gesagt wird, sollte man einfach einmal aushalten und dann auch festhalten, bevor und wenn man zur Tagesordnung der brüderlichen Dienste, der Diakonie übergeht.
Mir ist dieser selbstverständliche Hinweis wichtig, weil ich selbst ihn leicht und immer wieder für so selbstverständlich halte, dass ich ihn kaum für der Rede wert halte. Was aber der Rede nicht wert ist, ist für den Tod programmiert.
Der geistliche Einstieg z.B. in Sitzungen mit einer Segensformel oder einer kurzen meditativen Einheit will dem zwar gegensteuern, aber ist er wirklich für die sich anschließenden Diskussionen über "das Eigentliche" prägend oder bleibt er ein separater Vorspann, der sich nicht weiter auswirkt?
(Anekdotisch steht mir die Sitzung einer Vorbereitungsgruppe für den Katholikentag 1986 vor Augen. In einer heißen Gesprächsphase fragte der Moderator: "Was würde Jesus dazu sagen?" Einer der Kontrahenten fuhr aus der Haut: "Lassen Sie Jesus aus dem Spiel. Es geht hier um Sachfragen." ...)
Ich üb-ersetze das "... dir zu dienen" für mich gerne als "... dir zur Verfügung zu stehen / dir zu Diensten zu sein" oder als "... offen zu sein für deine Fragen an das, was ich jetzt sagen oder tun will." Ich verstehe das Bekenntnis der Dienstbereitschaft für Gott als Ansage einer steten Rückbindung des Tuns an Gott. Es ist auch die Frage an alles Planen, ob ich nicht eventuell meinen eigenen "Vogel" mit dem Heiligen Geist verwechsle. Es geht in diesem Sinn um den Schutz kirchlichen Tuns vor dem Management-Ungeist.
ein Kloster-Siegel ;-)
Ich selbst bin Benediktiner, ... ein Mönch. Unsere Ordenstradition pflegt in hohem Maß die Liturgie. Das Chorgebet, der gesungene Choral, eine gewisse alltägliche Feierlichkeit der Gottesdienste gehören zum Bild, das man sich von uns macht. Das wird von manchen nicht nur positiv, sondern auch kritisch gesehen. Wir sind kein sog. tätiger Orden. Das führt dann auch zu Wünschen oder auch Forderungen, wir sollten uns stärker in die Alltagspastoral der Gemeindeseelsorge einbringen. Diese Fragen sind da. Und wir setzen uns auch damit auseinander und suchen nach Antworten. Auch eine Frage unsererseits kann da eine der vielen möglichen Antworten sein.
Die Frage, die ich ins Nachdenken geben möchte, ist die folgende: Warum ist eigentlich "Kloster" für viele Dinge, die es zu kaufen gibt, ein Qualitätssiegel? Ob Brot, Honig, Käse, Bier, Likör, Wein und was-weiß-ich-noch, ... wenn Sie "Kloster" davor setzen, es verkauft sich besser. Warum eigentlich? Es scheint in "Kloster-" einfach eine Qualität angeboten zu sein, die sogar noch über "Bio" hinausgehen könnte.
Ist vielleicht der Satz des Hochgebetes "Wir danken dir, dass du uns berufen hast, vor dir zu stehen und dir zu dienen" so genuin benediktinisch-Kloster, dass er Kirche anders macht und präsentiert, als sie gängig wahrgenommen wird. Wäre Kirche ohne das "Kloster- Vor-dir-stehen" und das "Kloster- Dir-zu-dienen" vielleicht ärmer und seelenloser?
Ich weiß nicht, ob die gängige Alternative entweder Geht-zu-den-Menschen-Pastoral oder Kommt-her-Pastoral wirklich zielführend ist. Ich verstehe uns Klöster als eine Präsenz-Pastoral unter den Menschen. Wenn wir wirklich authentisch vor Gott und auf ihn hin sind, dann hat das Wirkung über den binnenklösterlichen Tellerrand hinaus. Bei Gott sind wir bei den Menschen.
Ob wir Klöster tatsächlich diesem Anspruch genügen, ist eine im Konkreten immer wieder berechtigte Frage. Aber der Anspruch an sich sollte nicht aufgeweicht werden. Eine Kirche ohne den Stachel solchen Anspruchs, eine Kirche ohne den Kloster-Touch - ... für mich nicht nur ein Verlust für die Kirche, sondern schlicht unvorstellbar.