Zu den drei Kar- und Osterbildern von Janet Brooks-Gerloff
Heiligtumsfahrt
Die Abteikirche Kornelimünster ist in den Jahren 1951-56 gebaut worden. Entsprechend den damaligen Bedürfnissen wurden eine Reihe von Seitenkapellen mit Altären für die Einzelzelebration der Mönchspriester eingerichtet. Die Ausschmückung dieser Kapellen verschob man auf einen späteren Zeitpunkt. Mit der Einführung der Konzelebration im Rahmen der liturgischen Erneuerung des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) verloren die Kapellen als Zelebrationsorte an Bedeutung, und die "Notwendigkeit" einer würdigen Ausgestaltung rückte weiter in den Hintergrund. Der Katholikentag 1986 in Aachen und die damit verbundene Heiligtumsfahrt in der Kaiserstadt und in Kornelimünster gaben schließlich den Impuls, das so lange Zurückgestellte nachzuholen.
In der Kirche der früheren Reichsabtei Kornelimünster, der heutigen Pfarr- und Propsteikirche in der Ortsmitte, werden seit der Gründung des Klosters (814) drei Reliquien aufbewahrt, die nach der Tradition Kaiser Ludwig der Fromme dem Gründerabt, dem hl. Benedikt von Aniane (+ 11.2.821), geschenkt hat: das Schürztuch, mit dem Jesus sich zur Fußwaschung der Jünger beim Letzten Abendmahl gegürtet hat, - ein Grabtuch, auf dem der Leichnam Jesu im Grab gebettet war, - das Schweißtuch, das Petrus und Johannes zusammengefaltet im leeren Grab Jesu fanden. Die historische Authentizität solcher Reliquien ist heute sicher eine Frage; - außer Frage steht aber, dass diese Reliquien durch die Jahrhunderte vielen Menschen ein Hinweis auf das Geheimnis des Kar- und Ostergeschehens waren und darin eine Stütze für ihren Glauben geworden sind. Im Siebenjahresrhythmus waren und sind diese Reliquien seit dem 14. Jahrhundert Ziel einer besonderen Wallfahrt, der sog. Heiligtumsfahrt. Im Mittelalter hatte die Heiligtumsfahrt nach Aachen und Kornelimünster europäische Dimension.
Die Abtei Kornelimünster konnte 1985 die in Aachen wohnende Malerin Janet Brooks-Gerloff gewinnen, die biblischen Szenen der Fußwaschung (Gründonnerstag), der Grablegung (Karfreitag) und des leeren Grabes (Ostermorgen) zu gestalten. Als Beitrag der Abtei zum Aachener Katholikentag und zur Heiligtumsfahrt 1986 prägen die Bilder seither drei Seitenkapellen des rechten Seitenschiffs der Kirche.
Die Kornelimünsteraner Reliquien wie auch die Bilder in unserer Kirche geben dem Kar- und Osterbewusstsein einen anderen als den üblichen Akzent. Nicht die Einsetzung der Eucharistie, sondern die Fußwaschung, - nicht die Kreuzigung, sondern die Grablegung, - nicht die Auferstehung, sondern das leere Grab werden ins Bild gesetzt. Es ist konkret für die Kartage und darüber hinaus überhaupt gut, sich nicht darauf zu beschränken, die „üblichen“ Gedankenwege nachzudenken. Ein „fremder“ Blick lässt oft Neues entdecken.
Die Szenen sind so groß gemalt, dass sie „den Rahmen sprengen“. Der Betrachter wird nicht durch eine vollkommen ausgemalte und fest gerahmte Bildszene draußen vor gehalten, sondern gewissermaßen in das Geschehen hineingezogen. Er wird einbezogen und ist angeregt zu fragen, was das Geschehen mit ihm selbst zu tun habe:
- Gründonnerstag-Bild der Fußwaschung: Ist Christsein für mich eine „Kirchen- / Sonntagsgottesdienst-Frömmigkeit“ oder ist es auch etwas, das mein Tun prägt? Bin ich bereit, dem Bruder / der Schwester die Füße zu waschen oder beherrsche ich vor allem die Kunst, dem anderen den Kopf zu waschen?
- Karfreitag-Bild der Grablegung: Vor Jahren gab es ein Impuls-Wort eines der großen kirchlichen Hilfswerke: „Nehmt den Menschen vom Kreuz!“ Wie halten wir es damit? Legen wir manchmal jemanden aufs Kreuz, - und nageln wir vielleicht zu oft jemanden fest? – Oder: decken wir Dinge unnötig und schamlos auf? Können wir Dinge barmherzig zudecken?
- Oster-Bild des leeren Grabes: Der Apostel, der ins Grab schaut, ist eine einzige Frage: was steckt dahinter? Er findet nur eine bescheidene Antwort: zwei Tücher. Er kann mit dieser Antwort leben, weil er sich anrühren lässt und sich traut, sie weiterzudenken. - Haben wir überhaupt noch Fragen, oder sind wir mit allem schon „fertig“. Sind wir bereit, mit un-fertigen Antworten zu leben, die wir uns zu größerer Tiefe hin mehr und mehr er-leben müssen?
Sicher war es uns 1985/86 wichtig, die „Leerstellen“ über den Seitenaltären der Kirche zu füllen. Es war uns darüber hinaus wichtig, die Aufgabe nicht nur ästhetisch gut zu lösen. Wichtig war uns vor allem, zu uns sprechende Bilder, wirklich an-sprechende Bilder zu gestalten, die etwas zur Sprache bringen können. Wir hoffen, es ist uns mit den Bildern von Janet Brooks-Gerloff gelungen.