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Der Architekt über seine Kirche

Das Gotteshaus

Paul Krücken: Das Gotteshaus. In: Benediktinerabtei Kornelimünster 1906-1956. (Festschrift zur Konsekration der neuen Abteikirche). Hrsg. v. d. Benediktinern zu Kornelimünster. Kornelimünster 1956, 53-58.

In früheren Jahrhunderten, ja Jahrtausenden war die Gestaltung des Kultbaues der Wegweiser für das gesamte Bauschaffen. Bereits im heidnischen Altertum entwickelte sich der Profanbau aus den Formen des Sakralbaues. Besonders deutlich zeigte sich dies im frühen Mittelalter zur Zeit der romanischen und gotischen Baukunst. Das Christentum war die Grundlage allen Gestaltens. Auf dieser gleichen Grundlage konnte sich die Baukunst zu ihrer höchsten Blüte entwickeln. Hiermit soll nicht gesagt sein, daß das Christentum allein als solches die Triebfeder des Kulturschaffens gewesen ist, da ja auch zur Zeit des Götterkultes das gleiche zu beobachten ist, etwa in Ägypten und Griechenland. Die Ursache zu einer vollendeten Entwicklung liegt also in einem ein ganzes Volk umfassenden Element gleichartiger Kulturgesinnung, d. h. seit Christi Geburt der christlichen Grundhaltung.

Nun kann man weiter beobachten, daß mit dem Verfall des religiösen Lebens bei den einzelnen Völkern ein deutlicher Rückgang in den künstlerischen Leistungen dieser Völker zu verzeichnen ist. Also wieder ein Beweis dafür, daß hohe künstlerische Leistung nur auf der Grundlage einer in allen Dingen einheitlichen religiösen Weltauffassung möglich ist.

Die heutige Zeit, ja man kann wohl sagen: die Krisis unserer Zeit spiegelt sich wieder in all den verschiedenen Formschöpfungen, wobei ein jeder Urheber seine eigene Art für die einzig richtige hält. Es fehlt an langsam, aber sicher gewachsenen Gestaltungsformen, [an der neuen Stilfindung, die einen sicheren, weiter zu verfolgenden Weg weisen. Vor 50 Jahren beherrschte der Jugendstil alle Teile der Architektur, 20 Jahre später war er tot und wurde verdammt. Wie lange werden die heutigen modernen Formen leben? Der Weg zu einem neuen Stil ist noch nicht gefunden. Wird er überhaupt gefunden oder werden einmal die heutigen Schöpfungen als Irrwege gekennzeichnet werden? Die Hast unserer Zeit mit ihrem wirtschaftlichen Druck wird jedenfalls der weiteren Entwicklung nicht von Nutzen sein.

Solche Gedanken mögen die Benediktinermönche zu Kornelimünster bewegen haben, bei den ersten Besprechungen bezüglich des Neubaues einer Abteikirche vor etwa einem Jahrzehnt zu verlangen, daß keine der breiten Masse der Gläubigen ungewohnten Formen Verwendung finden sollten und daß ein sakraler Innenraum geschaffen werde, der der alten Tradition benediktinischen Gottesdienstes gerecht würde. Das sollte nicht heißen, sich sklavisch an vergangene Stilepochen zu binden, sondern es war der Ausdruck des Wunsches, die christliche Grundhaltung in zeitnahem Sinne neu zu formen.

Wenn man heute den Altar möglichst nahe an die Gemeinde heranrückt, um Priester und Gemeinde in engste, wechselseitige Beziehung zu bringen, und weiterhin die Forderung stellt, von allen Plätzen einen freien Blick zum Altar zu haben, so darf dies doch nicht zu einem meist unsakral wirkenden Saalbau führen, der in keiner Weise den Bedürfnissen des katholischen Gläubigen entspricht. Wie Taufstein und Devotionsaltäre eine abgesonderte Aufstellung möglichst in besonderen Räumen verlangen, so ist es auch unschön und unzweckmäßig, einen Beichtstuhl an der Wand eines Saales aufzustellen.

über diese Forderungen hinaus werden an eine Klosterkirche, insbesondere an eine Abteikirche noch weitere Ansprüche gestellt. In der Klosterkirche soll beim heiligen Opfer der Altar Mittelpunkt für die Laien und darüber hinaus für die Mönchsgemeinschaft sein. Da das Tabernakel in einer Abteikirche nicht auf dem Hauptaltar seinen Platz findet, ist ein besonderer Sakramentsaltar in einer Sakramentskapelle einzuordnen. Für die täglichen heiligen Messen der zahlreichen Priester ist gegenüber einer Pfarrkirche eine Vielzahl von Nebenaltären erforderlich. Um den einzelnen Priestern eine ungestörte Feier der heiligen Messe zu gewährleisten, müssen diese Nebenaltäre möglichst in abgesonderten Räumen aufgestellt werden. Die für diese Nebenaltäre erforderlichen Kapellennischen bieten gleichzeitig eine günstige Aufstellungsmöglichkeit für die in Klosterkirchen recht zahlreich notwendigen Beichtstühle.

Auf Grund dieser Überlegungen entstand ein kreuzförmiger Grundriß. Im Zentralpunkt des Kreuzes steht der Hochaltar. Im Inneren ist dieser Altarplatz hervorgehoben durch eine größere Höhe der Decke, die sich auf mächtige Vierungspfeiler auflegt. Diese mächtigen Rundbögen, die als Steigerung der das Langhaus begrenzenden kleineren Rundbögen empfunden werden, dürften kaum als die Wiederverwendung des charakteristischen Merkmals eines bestimmten historischen Stiles gewertet werden. Der Kreisbogen ist vielmehr eine Form zeitloser Gültigkeit, die stets monumental und sakral wirkt und selbst bei einfacher Detailbehandlung einen nüchternen Raumeindruck nicht aufkommen läßt.

Im kleineren oberen Kreuzbalken hat das Chorgestühl der Mönche seinen Platz gefunden, im unteren Teil des Kreuzbalkens befindet sich der Laienraum. Der linke Querbalken des Kreuzes ist den Brüdern vorbehalten. So scharen sich alle Teilnehmer am Gottesdienst rings um den Hauptaltar; so allerdings, daß die einzelnen Gruppen, wie es klösterliche Gepflogenheit verlangt, sich gegenseitig nicht stören. Um auch der Möglichkeit eines internen Gottesdienstes der Mönchsgemeinde Genüge zu tun, hat der mächtige Tisch des Hochaltares eine so große Tiefe mit beiderseitigen Sepulcren, daß der Priester an der Chor- und an der Langhausseite das heilige Geschehen am Altar vollziehen kann.

Wie bereits erwähnt, befindet sich hinter dem Altar der Chor der Mönche. Die Chorstallen der Patres sind an den beiden Längsseiten angeordnet, während in der Mitte der rückwärtigen Wand entsprechend altchristlichem Brauch der Pontifikalthron des Abtes mit den beiderseitigen Sedilien seinen Platz hat. Der Chorgesang verlangt eine Orgel in enger Beziehung zum Mönchs-Chor. Um eine besondere Chororgel zu vermeiden, ist für die Zukunft eine einheitliche Orgel an der Chorwand der Kirche vorgesehen, deren Pfeifenwerk sich um das dortige Rundfenster gruppieren wird. Der Spieltisch wird im Chorgestühl eingebaut, so daß der Orgelspieler in enger räumlicher und akustischer Verbindung zum Gesang der Mönche und zum Gesang am Altare steht.

Rechts vom Chor der Mönche befindet sich die Sakramentskapelle hinter dem rechten Querbalken des Grundrißkreuzes, so daß in diesem Teil des Querhauses Raum gegeben ist zur ungestörten Andacht vor der im Tabernakel aufbewahrten Heiligen Eucharistie. In der Sakramentskapelle wurde auch die Kommunionbank aufgestellt. Durch den Fortfall der Kommunionbank im Hauptschiff ist eine innige Verbindung des Laienraumes zum Altarraum gegeben, die auch durch die beiderseits der breiten Chortreppen angeordneten Ambonen nicht gestört wird. Die Rückwand des Langhauses nimmt ein großes zwölfteiliges Fenster ein. Es wurde dadurch ermöglicht, daß die Eingänge zur Kirche seitlich angeordnet wurden und so unmittelbar in die beiderseitigen seitenschiffartigen Längsgänge führen. An diesen Seitengängen liegen je vier nischenartige Seitenkapellen, in denen acht Seitenaltäre und acht Beichtstühle Platz haben. Diese Kapellen mit ihren Altären und Beichtstühlen stehen so in günstiger Beziehung zum Laienraum.

Die Lichtführung im Innern der Kirche stellt noch keinen Endzustand dar. Hauptlichtquellen sind die hell gehaltenen Obergadenfenster, während die drei großen Rundfenster und das große Fenster an der Rückwand des Schiffes, gestaltet von E. Jansen-Winkeln, den Raum in flutendes farbiges Licht tauchen. Einstweilen stört noch das durch die provisorische Verglasung der Seitenkapellen eintretende Licht. Auch sie sollen einmal kunstvolle Fenster erhalten (gedacht ist an eine Darstellungsserie aus dem Leben des Ordensstifters Benedikt von Nursia und des heiligen Benedikt von Aniane als Fortsetzung der Darstellungen des großen rückwärtigen Fensters), die in den Beichtkapellen ein erwünschtes Dämmerlicht schaffen.

Die äußere Gestaltung der Kirche war belastet mit der Schwierigkeit, gegenüber dem unschönen Klosterbau aus dem Anfang dieses Jahrhunderts eine eindrucksvolle Dominante zu schaffen. Da weiterhin seitens der Benediktinerabtei der Wunsch besteht, das Kloster so auszubauen, daß die noch zu errichtenden Flügel ein Quadrum umschließen, andererseits aber schon jetzt die Kirche in unmittelbarer Verbindung zum bereits bestehenden Klosterbau stehen mußte, war die Lage der Kirche von vorn herein festgelegt. Bei der gegenüber dem bestehenden Klosterbau notwendigen Höhe der Kirche ergab sich zwangsweise die Notwendigkeit, von der am Kloster vorbeiführenden Straße aus eine Überleitung zum Kirchengebäude zu schaffen. Zudem liegt der Kirchenfußboden etwa 2,50 m über dem Straßenniveau, so daß sich, obwohl das Gotteshaus bereits 20 m von der Straßenfront abgerückt .ist, beim Fehlen jeglicher Platz oder Städtebaulicher Achsenbildung eine unerträglich harte Straßenfront ergeben hätte. Dieser Übergang von der Straße zur Kirche ist geschaffen durch einen Paradiesvorbau. Im Zusammenhang mit diesem Bau führt eine großzügige Treppenanlage zur Kirche hinauf zu den seitlich gelagerten Eingängen um den von oben belichteten kleinen Innenhof herum, in dem später ein Brunnen aufgestellt werden soll.

Das gesamte Äußere der Kirche ist in äußerst schlichten Formen gehalten, überragt von einem kräftigen, über dem Altarplatz in der Vierung aufstrebenden Turm. So beherrscht die hochgelegene. Kirche weithin die Höhen des Eifellandes als ein kündendes Zeichen dessen, was sie verkörpern soll.