Zu 1Könige 19 und Matthäus 14
Biblische Gotteserfahrungen – ins Heute hinein gelesen
Elementarmächte sind in unseren biblischen Lesungen am Werk. Vom Sturm ist die Rede, von Erdbeben und Feuer. In diesen Mächten ist Gott nicht zu finden; durch sie hindurch will er erahnt und erfahren werden. Gott ist immer anders, als wir uns ihn vorstellen, er handelt anders, als wir es erwarten.
Im Gegensatz zu den Elementarmächten erfahren wir Stille und Schweigen. Im leisen Säuseln erfährt Elija die Gegenwart Gottes, in der Stille und Einsamkeit der Nacht betet Jesus auf dem Berg, ist in inniger Verbundenheit mit seinem Vater in schweigendem Zwiegespräch.
In unserer bewegten, hektischen und lauten Zeit tut Stille Not, sind Orte und Zeiten der Ruhe, des stillen Gebetes etwas, was uns Menschen und unsere Welt verändern kann. Nicht das viele Tun, nicht Aktionismus sind gefragt, sondern stille Verbundenheit und Freundschaft mit Gott.
Aber dieser Gott erweist sich immer wieder als ein anderer, als den wir ihn uns vorstellen. Elija hatte auf dem Berg Karmel Gott als einen verkündigt der stark und mächtig ist, ja der dreinschlägt. Das bedrohte sein eigenes Leben, so dass er in die Wüste floh. Verzweifelt, müde, ja lebensmüde, mag er nicht mehr, will er aufgeben - bis ihn ein Engel des Herrn stärkt und buchstäblich in die Wüst schickt. An einem Ort, der dem Leben widrig ist, wird ihm eine Gotteserfahrung zuteil, die er sich so nicht vorgestellt hat. Aber Elija stellt sich der neuen Erfahrung, der neuen Wirklichkeit, dem ganz anderen Gottesbild.
Auf ganz andere Weise erfährt Petrus etwas über seinen Jesus, dem er vertraut. In höchster Not und Gefahr erlebt er Jesus auf dem Wasser. Er möchte ihm nahe sein, verlässt das bedrohte Boot und sucht Heil in der Nähe Jesu. Solange er auf Jesus schaut ist alles gut; sobald er die bedrohlichen Elemente von Wasser und Sturm beachtet droht er unter zu gehen. Sein Hilfeschrei wird erhört. Er wird gerettet und - zum Boot zurückgeführt. Dort, in der Gemeinschaft, bei den anderen ist sein Platz. So wichtig es ist bisweilen auszusteigen, so wichtig es ist neue Wege zu gehen - es geht nur in und mit der Gemeinschaft. Jesus führt den Petrus zu dem kleinen Haufen verängstigter Jünger zurück. Dort, im Boot, in der Gemeinschaft der Jünger erfährt Petrus Sicherheit und Geborgenheit. Dort ist letztlich auch Jesus.
Wir möchten so gerne aussteigen: Aus Partnerschaften, aus Ehen und Familien, aus Pfarreien und Ordengemeinschaften. Vieles scheint nicht mehr lohnenswert, Ideale haben sich als nicht tragfähig erwiesen. Enttäuschung macht sich breit. Aber: genau dorthin, an den Ursprungsort, führt Jesus zurück. Henry Nouwen: "Man geht nicht ins Kloster, um den Problemen aus dem Weg zu gehen, sondern um aus den Problemen heraus Gott zu loben." Nicht im Ideal, in der Wirklichkeit ist der Ort, wo Gott zu finden ist. Dort, in der Gemeinschaft, an den Ort, an den Jesus uns hinstellt, dort ist Anbetung möglich. In der Gemeinschaft liegt die Gotteserkenntnis, aus ihr heraus wächst sie und kann sie vertieft werden. In unserer von Individualismus geprägten Zeit eine Herausforderung, zugleich eine Möglichkeit Gottes Gegenwart immer neu zu entdecken, zu leben und zu feiern. Tun wir es an diesem Ort, in dieser Stunde, an diesem Tag.
Friedhelm Tissen OSB
2008-08-10