Zu Ijob 19,23-27
Eiserne Griffel-Schrift im Hoffnungsfelsen
Ijob 19,23-27: Dass doch meine Worte geschrieben würden, in einer Inschrift eingegraben mit eisernem Griffel und mit Blei, für immer gehauen in den Fels. Doch ich, ich weiß: mein Erlöser lebt, als Letzter erhebt er sich über dem Staub. Ohne meine Haut, die so zerfetzte, und ohne mein Fleisch werde ich Gott schauen. Ihn selber werde ich dann für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd. Danach sehnt sich mein Herz in meiner Brust.
Die biblische Gestalt des Ijob ist zweifellos eine der großen Gestalten der Menschheitsgeschichte. Sein Leben ist von Leid durchkreuzt und zerfurcht. Sein Fragen und Hadern ist zum Archetypus der Gottesfrage der Menschen geworden. Ihn als Dulder zu bezeichnen ist zu wenig. Er ist Zweifler bis zum Verzweifeln, - ein bohrender Gottesfrager bis zum Gottesgewinn. Er ist ein zeitenlos moderner Mensch, ohne dass er je Mode geworden wäre. Denn Ijob fragt in die Tiefen hinein und begnügt sich nicht mit den schnellen Antworten der Oberfläche.
Ijob weiß, dass sein Erlöser lebt und zugleich erfährt er das scheinbare Gegenteil. Er bekommt diese Spannung nicht zusammen, aber er weigert sich, sie so zu lösen, dass er den Spannungspol Gott aus seinem Denken und Leben wegamputiert. Er weiß, dass diese Spannung der Wehen-Kanal zur Geburt ins „eigentliche“ Leben ist. Wie lang sich die Wehen hinziehen, - wohin ihn die Geburt entlässt, ... das ahnt er mehr, als dass er es weiß.
Ijob spricht die Worte „Tod“ und „Sterben“ nicht aus, aber sie lugen ihn gleichsam um die Ecke an: „... ohne mein Fleisch, das so schmerzhaft-irdisch-lebendige, werde ich ihn schauen.“ Der Erlöser ist der „Letzte“ nach allem Staub der Erdenwege. Ijob weiß darum, dass nur die Bereitschaft zu sterben Werden schenkt. Er muss loslassen, um das Neue einlassen zu können. Das ist das Medikament der Gesundung zum Leben. Der Tod am Ende von Ijobs Lebenszeit ist die große Lebenswährung. Diese Währung in die einzelnen Scheine und die kleinen Münzen des Lebenslaufes einzuwechseln, ist sein Ringen.
Hinter der Todeskante / den Todeskanten des Lebens hofft, ahnt, glaubt und weiß Ijob ein Licht: „Ich werde Gott schauen. Ihn selber werde ich für mich schauen; meine Augen werden ihn sehen, nicht mehr fremd.“ Ijob bekennt sich dahin, dass hinter der Lebensgrenze nicht das bodenlose Nichts ist. Die so befremdliche Erfahrung von Gottes Wirken im Heute, die Ijob so hautnah zerfetzend durchleidet, wird aufgehoben. Gott, der Fremde, ist dann kein Fremder mehr, sondern er wird als Liebender und Naher erkannt. Und Ijob sagt es ganz individuell auf sich selbst bezogen: Ihn selber werde ich dann für mich schauen.
Ijob wünscht sich, seine Worte mit eisernem Griffel in Blei und in Fels zu schreiben und zu meißeln. Wem sagt er das? Mir will scheinen, er sagt, - ja, schreit es sich selbst zu. Er spürt die ganze Unbeweisbarkeit seiner Argumentation. Felsenfest ist nur sein Sehnsuchts-Wissen. Mit Felsenschrift möchte er das in sich einschreiben, damit er in all seinen Unsicherheiten darauf blicken kann: es steht geschrieben, - es steht fest!
Ijob ist in seinem Fragen ein moderner Mensch, - ein sehr moderner Mensch. In seinem bejahenden Mut zu seiner Sehnsucht Gott ist er obendrein viel moderner als jene, denen Gott nur noch ein müdes Lächeln für „kindliche Unschuld“ wert ist. Ijob ist so modern, Glaubensmut zu zeigen.
Albert Altenähr OSB
2004-10-25