"Wir wollen nicht mit Wort und Zunge lieben, sondern in Tat und Wahrheit“ (1 Joh 3,18)"
Predigt von Abt Friedhelm zur Totenvigil unseres P. Georg
Liebe Familie Mießen, liebe Mitbrüder, liebe Gemeinschaft der Alexianer, liebe Schwestern und Brüder in trauriger Dankbarkeit und dankbarer Trauer heute Abend hier versammelt.
In unserer Verwaltung hing viele Jahre lang eine Karikatur: Ein Schaf reißt aus seiner Herde aus. Abt Albert malte dieses Schaf schwarz an, sich daneben als Hirte mit Stab laut rufend: Pater Georg! Und ein Beileidsschreiben, das uns heute erreichte, endet mit den Worten: „Tschö, Du schwarzes Schaf!“
P. Georg als schwarzes Schaf, jemand, der sich in die klösterliche Gemeinschaft nur schwer einspannen ließ. Und mit diesem Bild kokettierte er durchaus.
Als junger Pater kam er ins Internat zur Betreuung und Erziehung unserer Schüler. Hier wurde er zum Brandschutzbeauftragten ernannt, was zu einer typischen Reaktion führte: „Ich will nicht nur in der Theorie so etwas machen, ich möchte dann auch aktiv dabei sein.“ So kam er zur Freiwilligen Feuerwehr Kornelimünster. In seiner knorrigen Art hat er manchen Schüler verschreckt, mit manchen verband ihn eine lebenslange Kameradschaft und Freundschaft, ersichtlich an den vielen Hochzeiten und Taufen, die P. Georg vornahm. Ebenfalls hielt er viele Hochzeiten und Taufen, aber auch Beerdigungen im Kollegenkreis der Feuerwehr. P. Georg als lebenslanger Begleiter und Freund.
Bei seinen Einsätzen der Feuerwehr war er auch als Seelsorger gefragt, sei es bei Opfern von Bränden und Unfällen, sei es bei den Kollegen, die unter schwierigen Einsätzen litten. Bevor es organisierte Notfallseelsorge gab: P. Georg machte es einfach.
Nach der Schließung von Schule und Internat fand er eine neue Aufgabe in der Seelsorge im Alexianerkrankenhaus. Das war ein Umfeld, das ihn herausforderte und in dem er aufging. Soeben hörten wir ein Kapitel aus der Regel des heiligen Benedikt über die kranken Mitbrüder. Warum habe ich dieses Kapitel ausgesucht? In den 73 Kapiteln der Regel findet sich hier rein von der Zählung her, zusammen mit dem nächsten Kapitel über „Alte und Kinder“ die Mitte der Regel Benedikts. P. Georg, der sich mit dem Klosterleben bisweilen schwer tat, hat in seiner Arbeit mit Jugendlichen und Kranken in die Mitte der Regel gefunden, nicht in der Theorie, sondern in der Praxis! Theorie, schöne Worte, waren ihm zuwider. Es heißt da in der Regel.ganz konkret: „Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen: man soll ihnen dienen, als wären sie wirklich Christus; hat er doch gesagt: „Ich war krank, und ihr habt mich besucht“, und: „Was ihr einem dieser Geringsten getan habt, das habt ihr mir getan.“Das Leben ist praktisches Mitsein mit den Menschen, in denen wir Christus entdecken können. Auf seine Weise hat P. Georg so zur Mitte der Regel gefunden.
In dieser Zeit der Pandemie hören wir häufig das Wort: „Die Hauptsache: Gesund!“ Ein solches Wort entspricht nicht dem Geist der Regel Benedikts und wäre sicher kein Wort, das oft über die Lippen von P. Georg gekommen wäre. Denn wenn es so wäre, dann wären kranke Menschen „Nebensache“. Das ist nicht im Sinne von Benedikt, das ist nicht im Sinne von P. Georg. Gerade den Schwachen, seien es junge Menschen, seien es Kranke, galt seine ganze Zuwendung, in Schlichtheit und Nüchternheit. Das haben die Menschen gespürt, deswegen mochten und mögen sie ihn weiterhin, über den Tod hinaus.
P. Georg war ein Wanderer zwischen den Welten. Das fand seinen Ausdruck darin, dass er täglich zwischen dem Alexianerkrankenhaus in Aachen und der Abtei hin und her pendelte. Großzügig informierte er mich über seine Termine, ohne zu fragen – und konnte fast ängstlich anrufen, wenn ihn etwa ein Einsatz vom Mittagsgebet fern hielt. Bei allem, was ihm schwer war, war er treu, bis zur Selbstverleugnung.
Das Ende seiner Tage verbrachte er in der Gemeinschaft der Alexianer in Aachen. Das war in mancherlei Hinsicht einfacher für ihn. Besuche bei uns waren durch die Pandemie nicht mehr möglich. Besuche von uns bei ihm waren leider selten. Jetzt ist P. Georg heimgekehrt, oder besser im buchstäblichen Sinne entschlafen. Er legte sich am letzten Dienstag zum Schlaf ins Bett, und wachte an einem anderen Ort auf. Er hat seine Wohnung gefunden bei dem den er auf seine kernige Weise verkündet hat, nicht so sehr in Worten als vielmehr in Taten.
Möge er leben in Frieden!
Amen.