Sein ist die Zeit
Vielfältig – wenn nicht sogar unzählbar – sind die Redensarten, die sich um die Zeit ranken. Wenn man in die Melodie des Lebens unserer westlichen Welt hineinhört, erfahren wir viel über die Kostbarkeit der Zeit, - wir hören vom Mühen, Zeit zu gewinnen, - Missmut und auch Wut begegnet uns, Zeit verloren zu haben. Auf wie viele Bitten: „Könntest du mal eben …“ haben wir schon die Antwort gehört – und auch selbst gegeben –: „Ich habe keine Zeit“? Und dann haben wir auf einmal für diese Nichtigkeit und jene verführerische Verlockung alle Zeit dieser Welt.
Die Zeit schreitet voran, - läuft, - rennt, - flieht, - sie geht weiter und weiter und wir hetzen ihr nach, um nicht Menschen von gestern zu sein. Wenn aber die Zeit naht, dass die uns zugemessene Zeit abläuft, dann kann Beides zugleich geschehen: sie vergeht nicht, - zieht sich endlos hin und gleichzeitig zerrinnt sie wie Regen im trockenen Erdreich.
Jahreszahlen werden immer mal wieder mit dem Kürzel „A.D.“ versehen und wir wissen durchwegs auch, dass das als „Anno Domini – Im Jahr des Herrn …“ aufzulösen ist. Das Kürzel ist zu einer Kulturfloskel geworden, deren religiöser Hintergrund vielleicht gewusst wird, aber kaum bewusst ist. „Anno a nativitate Domini Jesu Christi – Im Jahr nach der Geburt des Herrn Jesus Christus …“, so würde es voll ausgeschrieben lauten.
Und dann gibt es noch „den Tag“, - „jenen Tag“, - „den Tag des Herrn“. Es ist der „letzte Tag“, - der „jüngste Tag“, dem kein weiterer folgt und der darum auf ewig der jüngste bleiben wird. Dieser Tag ist eindeutig religiös gefärbt, und trotz aller Katastrophenszenarien über das Weltende, bleibt „der Tag“ für viele irrelevant. Mit dem Ende ist es „aus und vorbei“. Als Christen bekennen wir anderes: Das Ende ist der Anfang der Herrlichkeit.
In einem Kurs unseres Hauses begegnete mir vor kurzem eine Zeitansage, die aus dem Rahmen des Üblichen und oft Wiederholten herausfällt. Da lag in der gestalteten Mitte der Kursgruppe eine Uhr mit den zwölf Stundenziffern „Zeit ist Gnade“. Das ist beileibe keine neue Erkenntnis, aber es wird doch selten so ins Wort gebracht, geschweige denn auf eine Uhr gestaltet. Der Blick nach der Uhrzeit wird zur Erinnerung, dass das Jetzt und dann das Gleich und darauf das Danach besondere Momente sind. Es sind Momente aus Gott, - Geschenke, die mir gegeben sind, - Kostbarkeiten, für die ich verantwortlich bin. Jetzt ist der große Moment meines Lebens. Wenn ich das vorhin genauso sah, dann ist der jetzige Moment mit dem Reichtum des Vergangenen gefüllt. Und wenn ich den jetzigen Augenblick als Zeit der Gnade wahr- und annehme, dann sind meine Augen offen, auch den nächsten Augenblick als Zeitzeichen Gottes für mein Leben zu entdecken.
Alle Zeit ist Gottes Zeit, - ja, ... allezeit ist Gottes Zeit, … und das heißt dann auch: jederzeit ist des Höchsten Zeit. Es ist Entscheidungszeit, - höchste Zeit.
Gott ist nie erst … gleich. Er ist immer … jetzt.
Albert Altenähr OSB
2009-12-12