Taufe Jesu 2004
Die Taufe Jesu und unser Christsein
Jesaja 42
5So spricht Gott, der Herr, der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat, der die Erde gemacht hat und alles, was auf ihr wächst, der den Menschen auf der Erde den Atem verleiht und allen, die auf ihr leben, den Geist: 1Seht, das ist mein Knecht, den ich stütze; das ist mein Erwählter, an ihm finde ich Gefallen. Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt, er bringt den Völkern das Recht. 2Er schreit nicht und lärmt nicht und läßt seine Stimme nicht auf der Straße erschallen. 3Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus; ja, er bringt wirklich das Recht. 4Er wird nicht müde und bricht nicht zusammen, bis er auf der Erde das Recht begründet hat. Auf sein Gesetz warten die Inseln. 6Ich, der Herr, habe dich aus Gerechtigkeit gerufen, ich fasse dich an der Hand. Ich habe dich geschaffen und dazu bestimmt, der Bund für mein Volk und das Licht für die Völker zu sein: 7blinde Augen zu öffnen, Gefangene aus dem Kerker zu holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft zu befreien.
Lukas 3
15Das Volk war voll Erwartung, und alle überlegten im stillen, ob Johannes nicht vielleicht selbst der Messias sei. 16Doch Johannes gab ihnen allen zur Antwort: Ich taufe euch nur mit Wasser. Es kommt aber einer, der stärker ist als ich, und ich bin es nicht wert, ihm die Schuhe aufzuschnüren. Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen. 21Zusammen mit dem ganzen Volk ließ auch Jesus sich taufen. Und während er betete, öffnete sich der Himmel 22und der Heilige Geist kam sichtbar in Gestalt einer Taube auf ihn herab, und eine Stimme aus dem Himmel sprach: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden.
Johannes predigt am Jordan. Seine Botschaft der Umkehr schlägt Wellen das Jordantal herauf und herunter, ja bis nach Jerusalem. Die Leute strömen in Scharen zu dem wortgewaltigen Boten und lassen sich taufen. Die Johannes-Taufe ist offensichtlich „in“. Auch Jesus lässt sich taufen. Gehört er also zu „den Leuten“, - liegt er „voll im Trend“, - macht er die damalige „Modeströmung Johannestaufe“ mit?
Zunächst einmal möchte ich die einleitenden Zeilen aber doch ein wenig einschränken. So ganz einfach will ich den Taufeifer der Leute aus Jerusalem und der Jordangegend nicht als modischen Trend herunterstufen. Dazu war die Botschaft der Umkehr, die Johannes predigte, doch zu ernst. Sicher wird es Mitläufer gegeben haben – möglicherweise sogar recht zahlreiche -, aber genauso gewiss dürften sich viele in ihrem Gewissen angesprochen gefühlt haben: Ich muss wirklich in meinem Leben etwas anders machen. So wirklich kann ich nicht vor mir selbst, - vor meinen Mitmenschen, - und schon gar nicht vor Gott bestehen. Ich werde einen neuen Anfang setzen.
Warum aber lässt sich Jesus taufen? Unser heutiger Evangelienabschnitt gibt uns keine direkte Antwort. Aber vielleicht gibt er Hinweise, die uns das damalige Geschehen ... und unsere eigene Taufe und unser Christsein tiefer begreifen lassen.
Johannes spricht von heiligem Geist und von Feuer, die der „andere“ Täufer – Jesus – schenken wird. Zu den Bildworten vom Geist und Feuer tritt als dritte Bildwirklichkeit die Taube hinzu. In den Religionen um das alte Israel galt die Taube als Bote und Zeichen der Liebesgöttin Astarte/Ischtar. Will uns die Erzählung von der Taufe Jesu sagen, dass Jesus vom Feuer und vom Geist der Liebe sich ganz durchtränken lässt? Will sie uns auf – das Wort sei mir verziehen! – fast „anekdotische“ Weise deutlich machen, dass solche Liebe nicht aus der eigenen Kraft und eigenem Wollen erwächst, sondern dass eigene Liebe immer den Glauben an das Geliebtwerden voraussetzt? Jesus stellt sich unter die Taufe des Johannes, weil er groß genug ist, sich beschenken zu lassen. Er ist keine willensgewaltiger „Macher“ einer neuen Religion, sondern versteht sich als großartig mit der Liebe des Vaters Beschenkter. Ob wir das in unserem Christsein vielleicht zu oft vergessen? Reduzieren wir möglicherweise unser Christsein nicht viel sehr auf eine Leistungsethik mit hohem moralischen Standard? Freuen wir uns vielleicht zu selten darüber, ohne alles eigene Verdienst geliebt zu werden? Gott gefällt es, Gefallen an uns zu haben – einfach so.
Wenn ich mir vor Augen führe, was mit Jesu Taufe angefangen hat, - oder besser noch gesagt: was er mit seinem Taufgeschenk, der Liebe des Vaters, angefangen hat, dann wird mir obendrein deutlich, dass Getauftsein sich nicht als private Versicherung des eigenen Heils verstehen lässt. Gewiss hoffe ich auch heute noch, dass sich der kindliche Gebetswunsch erfülle, „… dass ich in den Himmel komm.“ Aber Taufe kann sich nicht allein als meine persönliche Eintrittskarte in den Himmel deuten lassen.
Der alte Prophetentext des Jesaja gibt Jesus ein Lebens- und Handlungsmodell ins Herz, das seine Botschaft durchziehen wird: „blinde Augen öffnen, Gefangene aus dem Kerker holen und alle, die im Dunkel sitzen, aus ihrer Haft befreien“ (Jes 42,7). Jesus lebt so, dass den Leuten die Augen aufgehen, - dass sie aus ihren Ecken, Höhlen und Schneckenhäusern herauskommen, - dass sie nicht als unauffällige graue Synagogen- oder Kirchenmäuse sich irgendwie durch die Welt durchlavieren, sondern sich zu einem klaren Glaubensprofil trauen. Jesus ließ sich taufen und er lebte als Signalfeuer Gottes in der Welt. Er ruft uns Getaufte in diese Nachfolge: Licht auf dem Leuchter und Stadt auf dem Berge zu sein.
Abt Albert Altenähr OSB
2003-12-31
Text für die Kirchenzeitung Aachen
Bild: El Greco, Taufe Jesu