Zum Evangelium des 2. Advent: Matthäus 3
Johannes der Täufer – Prophet des Adventes
Wenn sich Wege in die Länge ziehen, dann braucht es immer wieder einmal einen ermutigenden und aufrüttelnden Anstoß, den Schritt nicht erlahmen zu lassen oder gar den Weg ganz abzubrechen. Der Glaubensweg eines Menschen ist so ein langer Weg. Auf ihm gibt es natürliche Phasen der Müdigkeit, in denen man „voll Verzweiflung die Entfernung zu Gott ausmisst“ (Nelly Sachs). Der jährlich wiederkehrende Advent ist das Angebot eines Einkehrortes am Glaubensweg. Johannes der Täufer kann bei dieser Einkehr ein Gesprächspartner der Ermutigung sein.
So, wie Matthäus Johannes den Täufer in sein Evangelium einführt, lässt sich noch deutlich nachspüren, wie kraftvoll sein Auftreten war und welche Resonanz er und seine Botschaft gefunden hat. Zwei Dinge berichtet Matthäus. Er erzählt die Botschaft des Johannes und er erzählt von Johannes selbst. Wir erfahren, was er sagte, und wir erfahren auch, wie er sich kleidete und wie er lebte. Wenn wir beide Dinge miteinander in Verbindung bringen, dann spüren wir, dass Johannes und seine Botschaft stimmig sind. Johannes lebte die Botschaft, die er predigte. Noch vor jedem Predigtwort, das er spricht, ist Johannes selbst eine Predigt. Diese innere Stimmigkeit ist offensichtlich das Geheimnis der Wirkkraft der Predigt des Täufers.
Mit einem Wort aus dem Propheten Jesaja wird Johannes als „Stimme in der Wüste“ charakterisiert. Er ist in die Wüste hineingegangen und ruft aus der Wüste seine Botschaft in die Siedlungen um den Jordan und nach Jerusalem. Aber es ist inhaltlich mehr gesagt oder angedeutet als eine geographische Ortsangabe. In seiner Person und Botschaft klingt die „Stimme der Wüste“ an die Ohren der Zeitgefährten Jesu. Die Wüste selbst ist Israel eine Botschaft.
Die Wüste erzählt dem Volk Israel vom Auszug aus Ägypten, von der Begegnung mit Jahwe am Berg Sinai, vom Einzug in das Gelobte Land. Für die Propheten des Alten Testamentes ist die Rückbesinnung auf diese Zeit eine mahnende Erinnerung an die Lebendigkeit der jungen Liebe, in der das Feuer des Dornbusches und des Sinai zwischen Israel und Gott brannte. Johannes der Täufer ist der Bote dieser Liebe, die nicht gestorben ist, aber wieder neu geweckt werden will.
Die Stimme in der Wüste ist bei Jesaja die Aufbruchfanfare, die verkündet, dass die Exilszeit des Volkes in Babylon zu Ende ist. Heimkehr nach Jerusalem und seinem Tempel, dem Ort der Gegenwart Jahwes, ist angesagt. Den Zeitgenossen Jesajas war das Frohe Botschaft, dass der Weg zurück in die Zukunft mit Jahwe wieder offen ist. Es ist eindringliche Einladung, den Weg und sein Ziel nicht nur in den Blick, sondern auch unter die Füße zu nehmen. Der traurige Traum der Gefangenen in Babylon vom Verlust der Zukunft und der Heimat darf mit neuer Hoffnung wieder geträumt werden. Wie und mit Jesaja lädt Johannes der Täufer ein: Wagt den Traum der Heimkehr! Brecht auf! Geht den Weg der Umkehr! Er führt euch zum Ziel eurer Sehnsucht: Das Reich Gottes ist viel näher als ihr denkt.
Was unsere Kirche braucht, sind Menschen, die den Traum des Johannes und des Jesaja mit Feuer träumen und wagen. Es braucht Menschen, die keine Angst haben, sich anstecken zu lassen vom Feuer der Hoffnung. Wo dieses Feuer brennt, da ist das Reich Gottes nahe.
P. Albert Altenähr OSB