In terra pax hominibus bonae voluntatis
Der weihnachtliche Gesang der Engel mit seiner Zusage an die Menschen auf Erden ist vielen von uns noch in der lateinischen Fassung der Messgesänge vertraut. Auf den ersten Blick lautet die Übersetzung: Friede auf Erden den Menschen guten Willens. Dies trifft aber nicht die weihnachtliche Botschaft, die die Engel verkünden. Sie singen zunächst einmal von Gottes gutem Willen für uns Menschen. Ohne jede Vorleistung schenkt er sich uns. Dies bekennen wir theologisch zugespitzt im Glaubenssatz von der unbefleckten Empfängnis. Es gab keinen Menschen auf Erden, der aus sich bereit war, sein Ja zu Gottes Heilswillen zu sprechen. So hat Gott einen solchen Menschen in Maria bereitet und sie befähigt, die Gottesmutter zu werden. Einen solchen zuvorkommenden ungeschuldeten guten Willen Gottes nennt die Theologie Gnade. So beten wir in der deutschen Fassung denn auch „Friede auf Erden den Menschen seiner Gnade.“
Im Alltag begegnet uns der Begriff Gnade wohl vor allem noch im lateinischen Lehnwort gratis – aus Gnade. Wenn uns etwas gratis angeboten wird, prüfen wir erst einmal, was wir uns damit zusätzlich einhandeln, wenn wir ein solches Angebot annehmen. Auch die Hirten, denen die Botschaft der Engel galt, hätten misstrauisch überlegen können, ob sie da nicht etwa jemand mit einem Trick von ihren Herden wegführen wollte, um sie ihnen dann zu stehlen. Die Hirten brauchen weniger guten Willen als ein tiefes Vertrauen in den guten Willen Gottes, um ihr Herden zu verlassen und sich auf den Weg zu machen. Die Hirten brauchen weniger guten Willen als viel mehr Vertrauen in die gute Absicht Gottes.
Wenn wir durch schlechte Erfahrung im Umgang mit Menschen misstrauisch geworden sind, kann darunter auch unser Vertrauen in Gott leiden. Er setzt einen Neuanfang für uns. Er wird als ein Kind geboren und vertraut sich ganz den Menschen an. Unsere menschliche Erfahrung lehrt uns, in einem solchen Kind ist kein Falsch, ihm können wir vertrauen. So dürfen wir auch glauben: Er schenkt uns wirklich seinen Frieden.
P. Oliver J. Kaftan OSB
2009-12-26