Die Zeit „zwischen den Jahren“
Zwischenzeit
Die Zeit zwischen Weihnachten und dem Fest Dreikönige wird gerne die Zeit „zwischen den Jahren“ genannt. Das Alte ist dabei zu vergehen, Neues ist noch nicht so richtig geworden.
Die Zeit unserer Kirche könnte momentan auch als eine solche „Zwischenzeit“ bezeichnet werden. Altes löst sich auf, Neues ist nicht so recht sichtbar. Fragen und gar Murren machen sich breit, nicht selten wird die Vergangenheit verklärt und als die „gute alte Zeit“ betitelt, in der einfach alles besser war. Aber aus Nostalgie lässt sich keine Zukunft bauen, aus der Sehnsucht nach der Vergangenheit ist noch keine Perspektive für die Zukunft ersichtlich.
Die Adventszeit ist eine solche Zeit des Wartens. Eine Erinnerung aus meinem ersten Jahr in der Volksschule: „Die vier Kerzen des Advent stehen für die 400 Jahre, die das Volk Israel in Ägypten gefangen war.“ Warten können – und dann Hineingehen in eine ungewisse Zukunft. Israel machte sich auf den Weg in die Wüste, nach dem gefahrvollen Durchzug durch das Rote Meer, vor sich das Wasser, hinter sich das Heer des Pharao. Sie gehen in das Ungewisse hinein, wagen sich, trauen dem Wort Gottes, eines Gottes, der sich selbst bezeichnet als der „Ich bin da“. Vierzig Jahre werden sie durch die Wüste ziehen, ehe sie in das Land, in dem „Milch und Honig fließen“, einziehen können. Auch da müssen sie zuerst über einen Fluss, durch den Jordan, müssen erneut „getauft“ werden zu neuem Leben.
Zu Weihnachten beginnt Gott ein neues Kapitel mit den Menschen. „Er hielt nicht daran fest, wie Gott zu sein, sondern er entäußerte sich“, heißt es im Hymnus aus dem Brief an die Philipper. Loslassen, Neues wagen – das galt und gilt immer wieder für Gott in seiner Geschichte mit den Menschen, das gilt immer neu für uns in unserer Geschichte mit Gott - Vertrautes hinter uns lassen, Neues wagen. Dabei gibt es die Wüste, die Zeit des Verharrens, des „Überlebens“. Auch da ist Gott der „Emmanuel“, Gott mit uns. Vielleicht müssen wir diese Botschaft, die im Namen Jesu enthalten ist, immer neu durch buchstabieren, gerade auch in Zeiten der Dunkelheit, der Trostlosigkeit und der Ungewissheit. Unser Gott ist kein „Schönwettergott“, sondern ein Gott der Herausforderung und der Zumutung. Gott mutet uns etwas zu, gibt uns Mut die Gegenwart zu bestehen und Neues zu wagen.
Das Gelobte Land, eine Neue Kirche – wir wissen nicht, wie das aussehen soll. Aber ausschreiten dürfen wir, Ausschau halten und voll Selbst- und Gottvertrauen unseren Weg gehen. Ein Wort des heiligen Augustinus sagt: „Schreite aus, und singe“. Singend gegen die Angst weitergehen und sich eine Zukunft schenken lassen, die von Gott kommt. Wir wissen nicht, wie es weiter geht, aber im Vertrauen auf den Emmanuel, Gott mit uns, dürfen wir vertrauensvoll in die ungewissen Zukunft hinein gehen.
Abt Friedhelm Tissen OSB
2012-01-12