Ein 151. Psalm.
Die Ur-Kunde der Gründung
Mir geht es nicht selten so, dass sich in mir ein Bild zusammennebelt, das zwar durchaus erkennbar ist, dem aber doch und noch die Konturen fehlen. Ein Anstoß von draußen, ein „Druck“ kann dann u. U. das bisher Nebelhafte zum klar Konturierten hin fortentwickeln. So erging es mir jüngst bei einem Wochenendangebot, dem ich ein Jahr zuvor die Überschrift zugedacht hatte: „Du hast der Erde Säulen fest gegründet“.
In der täglichen Begegnung mit den Psalmen hat sich mir nach und nach ein cantus firmus herausgeschält. Die Psalmendichter singen sich in unterschiedlichsten Worten und Bildern in die Zuverlässigkeit Gottes hinein. Auf Jahweh ist Verlass. So verlassen sich der Beter auch fühlen mag, auf IHN ist Verlass. Und wenn die äußeren Sicherheiten und auch die Selbstsicherheit zu Ruinen zusammenstürzen, - der Psalmist weiß, dass er alles und sogar sich verlassen kann, ohne ins Nichts abzustürzen.
Kurzbilder, die ohne große Erklärungen Sicherheit aufleuchten lassen, sind die Jahweh-Anreden: „Du, mein Fels, meine Burg, meine Feste.“ Sie sind in gleicher Weise zärtliche Liebeserklärungen und beschwörende Hilfeappelle.
In dieselbe Richtung weisen die Erinnerungsbilder von den Großtaten Gottes. In der persönlichen Vergangenheit des Psalmisten und in der Erwählungsgeschichte des Volkes hat Jahweh sich als Beistand und - wo es nottat - als Retter erwiesen. „Vergiss nicht …“ singen die Psalmdichter sich selbst zu und allen, die ihre Verse mit- und nachsingen.
Die Psalmen greifen aber weit über die persönliche Geschichte und die der Erwählung des Volkes zurück. Ihr Blickhorizont ist der Ur-Anfang. Jahweh ist der Schöpfer von Himmel und Erde. Das ist die Grund-Lage von allem. Das ist die Ur-Kunde der Geborgenheit. „Unsere Hilfe ist im Namen des Herrn, der Himmel und Erde geschaffen hat“ (Ps 121,2: 124,8).
Im Umfeld dieses Glaubens an die Schöpfung durch JAHWEH springen mir in den Psalmen immer wieder die „erzählenden“ Elemente der Erschaffung der Welt ins Auge. Die alte Vorstellung vom Erdkreis, der eine Scheibe und keine Erdkugel ist (!) und die auf dem Urmeer schwimmt, schreit geradezu nach einer Verankerung dieser Erde. Wenn sie nicht gegeben ist, dann gerät alles buchstäblich „ins Schwimmen“ und im hohen Wogengang geht alles „drunter und drüber“.
Der Schöpfer JAHWEH erscheint als ein Baumeister, der für das Erdengebäude ein solides Fundament gelegt hat. Er versteht etwas von den unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten und hat sich für eine Pfeilergründung entschieden. Auf einer solchen Pfeilergründung kann sich die Schönheit eines „Erden-Venedigs“ und die Effektivität einer „Erden-Ölplattform“ aufbauen lassen. In dieser Bildvorstellung vom Baumeister leuchtet weniger die Wort-Gewalt des Schöpfers auf (Gen 1) als eine kreative Handwerklichkeit. Sie erinnert mich an den zweiten Schöpfungsbericht (Gen 2). Wie JAHWE dort einen Garten pflanzt und den Menschen aus Lehm formt, so nimmt er als Baumeister der Erde Säulen in die Hand und rammt sie in festen Grund ein.
Konkret habe ich für das Einkehrwochenende, von dem ich eingangs sprach, einfach einmal (in der Einheitsübersetzung) die Psalmverse herausgesucht und untereinander geschrieben, in denen von „Gründung“ die Rede ist. Dabei kommt auch der Stamm Juda und die Stadt des Zion in den Blick. Beide sind sie „gegründet“ und geben für den Beter einen Grund ab, auf den er bauen und aufbauen kann. Ohne dass die Psalmenverse es verbalisieren, hat der Beter sich selbst in das Beten der Verse eingebracht. In ihrem Beten entfaltet sich ihm eine Atmosphäre der Zuversicht, in der er leben kann. Er er-betet sich einen „Grund-Kurs“ für sein Leben. Er er-betet sich Ur-Vertrauen.
So wie sich die Verse aus den verschiedenen Psalmen aneinanderreihen, lassen sie sich durchaus als ein neuer Psalm verstehen und beten. Man kann es ja einmal versuchen, - privat, - in einer Gruppe, - in einem Gottesdienst.
Ps 24,1 Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, +
der Erdkreis und seine Bewohner.
2 Denn er hat ihn auf Meere gegründet, +
ihn über Strömen befestigt.
Ps 75,4 Die Erde mit allen, die auf ihr wohnen, mag wanken; +
doch ich selbst habe ihre Säulen auf festen Grund gestellt.
Ps 89,12 Dein ist der Himmel, dein auch die Erde; +
den Erdkreis und was ihn erfüllt, hast du gegründet.
Ps 93,1 Der Herr ist König, bekleidet mit Hoheit; +
der Herr hat sich bekleidet und mit Macht umgürtet.
Der Erdkreis ist fest gegründet, +
nie wird er wanken.
Ps 96,10 Der Herr ist König. +
Den Erdkreis hat er gegründet, so daß er nicht wankt.
Ps 102,26 Vorzeiten hast du der Erde Grund gelegt, +
die Himmel sind das Werk deiner Hände
Ps 104,5 Du hast die Erde auf Pfeiler gegründet; +
in alle Ewigkeit wird sie nicht wanken.
Ps 119, 90 Deine Treue währt von Geschlecht zu Geschlecht; +
du hast die Erde gegründet, sie bleibt bestehen.
Ps 136, 6 Er hat die Erde über den Wassern gegründet, +
denn seine Huld währt ewig,
Ps 78,68 Den Stamm Juda erwählte er, +
den Berg Zion, den er liebt.
69 Dort baute er sein hoch aufragendes Heiligtum, +
so fest wie die Erde, die er für immer gegründet hat.
Ps 87,2 Der Herr liebt (Zion), seine Gründung auf heiligen Bergen; +
mehr als all seine Stätten in Jakob liebt er die Tore Zions.
Ps 87,5 Er, der Höchste, hat Zion gegründet.
Abt Albert Altenähr OSB
2006-08-07