zu Psalm 36,06–10a
Ein Psalm im Psalm
Herr, deine Liebe reicht bis zum Himmel, *
deine Treue bis zu den Wolken.Deine Gerechtigkeit steht wie die Berge Gottes, /
wie die große Flut sind deine Entscheide. *
Herr, du wirkst Heil für Menschen und Tiere.Wie köstlich, o Gott, ist deine Liebe! *
Die Menschen bergen sich im Schatten deiner Flügel.Sie laben sich am Überfluss deines Hauses, *
du tränkst sie mit dem Strom deiner Wonnen.Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, *
Licht schauen wir in deinem Lichte.Erhalte deine Liebe denen, die dich kennen.
Aus den Choralgesängen der Messe und ebenso bei den Antiphonen zu den Psalmen des Chorgebetes sind wir damit vertraut, dass einzelne Verse aus den Psalmen herausgenommen und besonders in den Blick gestellt werden. Sie sind Impulse, die den Herzschlag des Glaubens stärken wollen und können. Aus den oben zitierten Versen des Psalmes 36 ist uns Mönchen sicher der Vers besonders vertraut:
„Bei dir ist die Quelle des Lebens, *
Licht schauen wir in deinem Lichte.“
Unser Chorgebet nutzt ihn verschiedentlich als Versikel, d.h. als zusammenfassenden Kurzabschluss von größeren Gebetsabschnitten.
Wir beten Psalm 36 in den Laudes am Mittwoch. In meinem Chorbuch habe ich mir die oben zitierten Verse gewissermaßen als Psalm im Psalm markiert. Sie sind mir in den Mittwoch-Laudes so etwas wie ein Herzstück des Morgenlobs geworden. Sie sind mir – wie W. Bruners es in einem Gedicht sagt – „Heilworte“, die mich ermutigend in den Tag hinein begleiten.
„Liebe“ ist das Stichwort, das mich zu dieser Vers-Auswahl bewegte. Ganz am Anfang steht dieses Wort und es bildet auch den Schluss. Und dann findet es sich ein drittes Mal in der Mitte der Verse. Diese Verteilung ist wie der Morgen, der Mittag und der Abend des Tages, - wie das dreimalige Geläut des „Angelus“ von den Kirchtürmen.
Mit dem Grundwort „Liebe“ im Herzen bete ich mich durch die Verse. Dabei entdecke ich den Klang „Liebe“ in anderen Worten: Deine Treue, … deine Gerechtigkeit, … deine Entscheide, …der Schatten deiner Flügel, … dein Haus, … deine Wonnen, … dein Licht. Mir kommt es bei diesen Worten nicht auf das rationale Verstehen an, was mit ihnen im Einzelnen gemeint ist. Wichtig ist mir die Atmosphäre geworden, die mit den Worten geschaffen wird. Es ist ein Grundklima der Geborgenheit und freudiger Lebendigkeit, das von dem alten Gebet in den Tag heute hinüber schwingt.
Die Verse tun einfach gut.
Herr, deine Liebe reicht bis zum Himmel,
halte mich in deiner Liebe, der ich auf dich hoffe.
P. Albert Altenähr OSB
2010-06-17