zu Psalm 65
Du krönst das Jahr mit deiner Güte
Psalm 65,10-14: „Du sorgst für das Land und tränkst es; du überschüttest es mit Reichtum. Der Bach Gottes ist reichlich gefüllt, du schaffst ihnen Korn; so ordnest du alles. Du tränkst die Furchen, ebnest die Schollen, machst sie weich durch Regen, segnest ihre Gewächse. Du krönst das Jahr mit deiner Güte, deinen Spuren folgt Überfluss. In der Steppe prangen die Auen, die Höhen umgürten sich mit Jubel. Die Weiden schmücken sich mit Herden, die Täler hüllen sich in Korn. Sie jauchzen und singen.“
Die Bitte um das tägliche Brot gehört zum „täglichen Brot“ unseres Betens. In jedem Vaterunser wird es gebetet. ... und was denken wir uns noch dabei? Wenn der Tisch dann einmal besonders reichlich gedeckt ist, dann variiert ein glücklicher Genießer das Gebet vielleicht, indem er lacht: „unser heutiges Brot gib uns täglich“, - meint es (sehr) ernst, ... aber hat das Beten vor lauter Wasser im Mund gründlich beiseite geschoben.
Beim Gang über die Märkte und durch die Supermärkte können wir bei uns jederzeit das frischeste Gemüse und Obst besorgen. Jahreszeiten und regionale Angebote setzen keine Grenzen mehr. „Paradiesesfülle“ strahlt uns entgegen. Versorgungsengpässe ...? Wunschträume ...? Fremdworte, denn das „global playing“ lässt als einzige „Qual“ nur noch die Notwendigkeit der Wahl übrig.
Wir wissen, dass diese „westliche“ und „nördliche“ Situation des Wohlstands, die jederzeit auf alles nur Mögliche Zugriff hat, nicht die allgemeine Normalität in der Welt ist. Wir wissen das, aber ist es uns auch bewusst? Führt uns das Wunder der Knospe, der Blüte, der wachsenden, reifenden und schließlich reifen Frucht noch ins Staunen und in die Dankbarkeit? Lebt in uns noch eine lebendige Erfahrung, wie sehr wir bei allem Fortschritt eingebunden geblieben sind in die Abhängigkeit von der Natur?
Der Sommer und der Herbst führen uns die Gaben der Erde immer wieder neu vor Augen. Das Erntedankfest am Beginn des Oktobers erinnert uns daran, dass es bei all unserer Arbeit auch heute ein Geschenk ist, dass wir zu essen haben. Wer Augen hat zu sehen, dem weist die Natur immer noch eine Spur zu Gott. Das ist nicht Naturromantik, sondern die Offenheit der Welt auf Gott hin, - Welt-Offenheit.
Abt Albert Altenähr OSB
2001-08-21