zu Psalm 80,3:
Komm, uns zur Rettung. Eine adventliche Betrachtung
In unserem Chorgebet beten wir immer wieder in Psalm 80 den Vers:
„Erwecke deine Heldenkraft * und komm, uns zur Rettung“ (Vers 3b[1]).
Der Vers ist im Wochenpsalter[2] auch die Antiphon dieses Psalmes: „Biete deine Macht auf, Herr unser Gott, * und komm, uns zur Rettung“.
Ich frage mich, wenn wir diese Antiphon und dann den Vers beten, ob wir wirklich das beten, was da geschrieben steht. Etwas nämlich aus diesem Vers beten wir nicht oder eigentlich zu wenig: … das Komma der zweiten Vershälfte. Wahrscheinlich schlackern Sie jetzt mit den Ohren und klappern mit den Augen, um es salopp zu sagen. Sie werden sich fragen: Was meint er damit: das Komma lesen? Ist das nicht arg oberlehrerhaft? Wie soll man das denn machen? Und: verändert diese „albertinische Weisheit“ irgendetwas am Text und überhaupt?
Mir will scheinen, dass es durchaus etwas verändert, ob wir hier ohne Punkt und Komma beten oder eben mit Komma. Das Komma signalisiert ein kurzes Innehalten und darin eine leichte Abtrennung des Vorausgegangenen vom Folgenden. Das Komma lädt ein zurückzuschauen und das gerade Gesagte dann noch einmal in leichter Variation zu wiederholen. In meiner Übersetzung und Interpretation betet der Psalmist ganz einfach: „Komm!“, um dann die Wirkung solchen Kommens seines Gottes zu beschreiben: „Dein Kommen, deine Gegenwart, sie sind unsere Hilfe.“
Wenn wir das Komma und damit das kurze Innehalten „schlabbern“, nähern wir uns der Verswiedergabe, wie sie die Einheitsübersetzung anbietet: „komm uns zu Hilfe“. Diese Übersetzung gebraucht das Verb „zu Hilfe kommen“. Optisch und akustisch sind die Übersetzungen fast identisch aber eben doch nur fast: „komm, uns zur Hilfe“ – „komm uns zu Hilfe“. Der berühmte kleine Unterschied, der „anderswo“ so gerne betont wird, sollte auch hier zur Kenntnis genommen werden.
Vielleicht kann man etwas erspüren, wenn man beide Formulierungen einmal laut spricht und das Komma unserer Übersetzung ein wenig überlang als Pause liest: „komm - … uns zur Hilfe“. Und die Einheitsübersetzung in einem, pausenlosem Fluss: „komm uns zu Hilfe“.
Die Einheitsübersetzug betont die Hilfe, die der Psalmist von Gott erhofft. Dass Gott sich auf den Weg machen und kommen muss, ist eine bloße Voraussetzung für die helfende Tat Gottes. Es reicht dieser Übersetzung nicht, dass Gott kommt – und dann einfach „nur“ da ist. Das bloße Dasein Gottes ist ja ganz nett, aber, bitte!, etwas mehr müsste er schon tun. Er muss danach auch zupacken, eingreifen, … eben helfen. Es ist die unterschwellige Aussage, dass wir recht dumm dastehen, wenn Gott nur dasteht.
Der Psalmist denkt da kompakter und ganzheitlicher. Er trennt das Kommen Gottes nicht von seiner Hilfe. Das Kommen Gottes und seine Gegenwart sind für ihn die Hilfe, die er sich ersehnt und die er braucht. Das ist auch der ganze Inhalt des Jahwe-Namens: Ich bin der, der da ist, - der, der helfend da ist, - der, dessen Gegenwart Hilfe ist.
Der Psalm fährt in Vers 4 fort: „Gott, richte uns wieder auf! * Lass dein Angesicht über uns leuchten, dann sind wir gerettet!“ Martin Buber übersetzt die beiden Verse so:
Rege deine Heldengewalt
und komm uns zur Befreiung
Gott,
lass es uns wiederkehren!
lichte dein Antlitz
und wir sind befreit!
Ob wir künftig das Komma in unseren praktischen Gebetsvollzug hineinbekommen? Ich hoffe auf etwas viel Unbescheideneres: dass wir es in unseren Kopf und unser Herz kommen lassen, - dass wir nicht um diese und jene göttliche Hilfe bitten, sondern dass wir um ihn selbst bitten.
Das würde die Welt verändern, wenn Motto und Wirklichkeit würde:
Ein Advent dem Herrn!
P. Albert Altenähr OSB
2008-11-15
[1] Übersetzung Münsterschwarzacher Psalter.
[2] Samstag, Vigil, 2. Nokturn, 3. Psalm.